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Behinderte Kinder können auch für freiwillige schulische Nachmittagsangebote Anspruch auf einen Integrationshelfer haben. Entscheidend ist, ob diese Angebote ihrem Ziel nach die Schulausbildung unterstützen sollen, urteilte das Bundessozialgericht in Kassel.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat ein wichtigees Urteil für behinderte Kinder und ihre Eltern gefällt: Danach können Kinder auch bei freiwilligen Nachmittagsangeboten in der Schule einen Integrationshelfer nutzen. Entgegen der bisherigen Ansicht vieler Gerichte und Sozialämter ist es nicht mehr erforderlich, dass es sich um schulische Pflichtveranstaltungen handelt (Urteil vom 6. Dezember 2018, Az.: B 8 SO 4/17 R und B 8 SO 7/17 R).
In beiden vor dem BSG verhandelten Fällen ging es um Kinder mit Down-Syndrom, die in Bielefeld eine „Offene Ganztagsschule“ (OGS) besucht hatten. Dort gab es nach dem regulären Unterricht am Vormittag ein Mittagessen und danach weitere Angebote, unter anderem eine Hausaufgabenbetreuung.
Die Sozialbehörden der Stadt Bielefeld bewilligten beiden Kindern einen Integrationshelfer beziehungsweise Schulbegleiter für den Unterricht am Vormittag. Für das Mittagessen und die Nachmittagsangebote lehnten sie dies dagegen ab. Diese seien freiwillig und daher für die Schulausbildung „nicht erforderlich“.
Teils gewährten die Behörden allerdings „Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“. Diese sind allerdings einkommensabhängig, „Hilfen zur angemessenen Schulbildung“ dagegen nicht. Eine Juristin des Sozialverbandes VdK kritisierte in der Verhandlung, dass behinderte Kinder dadurch zu einer Belastung für Familien werden, etwa wenn die Eigenbeteiligung der Eltern zu Einschränkungen für Geschwisterkinder führt.
Rechtlich kommt es darauf allerdings ebenso wenig an, wie auf eine eventuelle Freiwilligkeit der Nachmittagsangebote, betonte hierzu nun das BSG. Entscheidend seien vielmehr die Ziele und das pädagogische Konzept dieser Angebote.
„Liegen diese insbesondere in der Unterstützung, Erleichterung oder Ergänzung der Schulbildung, ist auch der zur Unterstützung des behinderten Kindes hierfür erforderliche Integrationshelfer eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung“, erklärten die Kasseler Richter. Voraussetzung sei dann nur, dass auch im jeweiligen Einzelfall die begleitete Nutzung dieser Angebote die schulische Ausbildung „zumindest erleichtert“.
Gehe es dagegen lediglich um eine Betreuung, um die Zeit bis zum Arbeitsende der Eltern zu überbrücken, kämen allenfalls Teilhabe-Leistungen in Betracht, betonte das BSG. Das gelte auch, wenn die Nachmittagsbetreuung indirekt positive Auswirkungen auf die Schulausbildung hat.
In der Vorinstanz hatte das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in beiden Fällen die Schulbegleitung am Nachmittag abgelehnt (unter anderem Urteil vom 7. November 2016, Az.: L 20 SO 482/14). Das LSG muss nun jeweils neu prüfen, ob die vom BSG gesetzten Voraussetzungen erfüllt sind.
Drei Fragen an unseren Sozialrechtsexperten
Um das Urteil besser einordnen zu können, haben wir unseren Sozialrechtsexperten Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des Sozialverbands VdK, befragt.
vdk.de: Herr Ungerer, könnten Sie das Urteil noch einmal für unsere Leserinnen und Leser zusammenfassen?
Jörg Ungerer: Das BSG hat mit seinem Urteil auf die Voraussetzungen verwiesen, wann ein behindertes Kind einen Integrationshelfer für die Unterstützung an einer OGS benötigt. Danachmuss der Helfer einem behinderten Kind den Schulbesuch ermöglichen oder erleichtern.
vdk.de: Warum muss sich das Landessozialgericht Essen erneut mit den Fällen befassen?
Jörg Ungerer: Das liegt daran, dass das Gericht nicht ermittelt hatte, unter welchen Bedingungen behinderte Kinder Anspruch auf einen Schulhelfer für die nachmittäglichen Angebote in der Schule nutzen können. Das muss das Landesgericht nun nachholen.
vdk.de: Darf das BSG solche "Ermittlungen" nicht führen?
Jörg Ungerer: Nein, das BSG klärt nur grundsätzliche Fragen des Sozialrechts und darf selbst keine Tatsachen feststellen.
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©Juragentur / ime
Schlagworte Integrationshelfer | Behinderte | Kind | Schule | Anspruch | Bundessozialgericht
Der Sozialverband VdK berät und vertritt seine Mitglieder im Bereich gesetzliche Rentenversicherung, zum Beispiel zum Thema Erwerbsminderungsrente.
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