30. Mai 2018
SOZIALRECHT

Kein rückwirkender Mehrbedarf in der Grundsicherung

Schwerbehinderten Menschen, denen der Nachteilsausgleich „G“ zuerkannt wurde und die Grundsicherung beziehen, steht ein finanzieller Mehrbedarf zu. Aber sie können den Mehrbedarf nicht rückwirkend geltend machen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.

Ein Rollstuhl, dessen Reifen eine Hand umfasst.
Schwerbehinderte Menschen bekommen einen Mehrbedarf. | © imago/CHROMORANGE

Wer schwerbehindert ist und Leistungen aus der Grundsicherung erhält, hat das Recht auf einen finanziellen Mehrbedarf, wenn man den Nachteilsausgleich „G“ zuerkannt bekommen hat. Der Mehrbedarf soll die Kosten für die erhebliche Gehbehinderung ausgleichen. Allerdings müssen die Behörden den Mehrbedarf nicht rückwirkend zahlen, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 25. April 2018 klargestellt hat (Az: B 8 SO 25/16 R).

Dem BSG lag der Fall einer Frau vor, die Leistungen aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII erhielt. Das Versorgungsamt hatte ihr am 24. April 2014 einen Bescheid zukommen lassen, in dem es feststellte, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen vorlägen, durch die die Frau das Merkzeichen „G“ zuerkannt bekäme. Diese Anerkennung datierte das Amt auf die Zeit ab 21. Oktober 2013.

Mit dem Bescheid des Versorgungsamtes beantragte die Frau und spätere Klägern beim Sozialamt einen pauschalisierten Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII, und zwar ab 21. Oktober 2013.

Behörde lehnt rückwirkenden Mehrbedarf ab

Das beklagte Sozialamt bewilligte zwar die höheren Leistungen aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, aber erst ab 1. April 2014, dem Zeitpunkt des Nachweises durch Vorlage des Bescheids des Versorgungsamts.

Dieses Vorgehen ist durch das Urteil des BSG nun rechtens. Der Gesetzgeber habe nur den Nachweis durch Vorlage des Feststellungsbescheids einräumen wollen, nicht aber einen Leistungsanspruch für die Vergangenheit bezogen auf den Zeitpunkt begründen, ab dem der Nachteilsausgleich vom Versorgungsamt anerkannt worden ist, so die BSG-Richter.

Drei Fragen an unseren Sozialrechtsexperten

Um das Urteil besser einordnen zu können, haben wir unseren Sozialrechtsexperten Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des Sozialverbands VdK in Kassel, befragt.

VdK: Welche Folgen hat das Urteil für behinderte Menschen?
Jörg Ungerer: Schwerbehinderte Menschen, die Grundsicherungsleistungen beziehen und den Nachteilsausgleich „G“ zuerkannt bekommen haben, können diesen leider nicht für die Vergangenheit geltend machen, sondern nur noch ab dem Zeitpunkt ihres Antrages. Das ist bedauerlich.
VdK: Bedeutet das Urteil eine Verschlechterung bei den Regeln für den Nachteilsausgleich?
Jörg Ungerer: Nein, das Urteil betrifft nur die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, das Schwerbehindertenrecht bleibt davon unberührt.
VdK: Was raten Sie Betroffenen nun?
Jörg Ungerer: Schwerbehinderte Menschen, die beim Versorgungamt einen Antrag auf Zuerkennung des Nachteilausgleichs „G“ stellen, sollten darauf hinweisen, dass sie Grundsicherungsleistungen beziehen und um eine schnelle Bearbeitung ihres Antrags bitten. Ansonsten können in dieser Zeit Kosten, die durch die Gehbehinderung entstehen, dokumentiert und dann beim Grundsicherungsträger eingereicht werden.

Lesen und sehen Sie mehr:

ARTIKEL
Symbolfoto: Ein Mann hält einen Schwerbehindertenausweis in die Kamera
Wenn die Einschränkungen durch eine Behinderung oder Erkrankung größer werden, kann sich ein Neufeststellungsantrag zum GdB lohnen. Was muss man beachten? | weiter
13.02.2018 | hei
ARTIKEL
Symbolfoto: Junge Frau im Rollstuhl bewegt sich durch die Stadt
Was bedeutet eigentlich der "Grad der Behinderung" (GdB) und wie wird er ermittelt? Ab welchem Grad der Behinderung gilt man als schwerbehindert? | weiter
| cl

VdK-TV: Ratgeber zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Wer hat eigentlich Anspruch auf die "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung"? Der VdK hilft bei der Antragstellung und, falls nötig, beim Einlegen eines Widerspruchs gegen den Bescheid.

ime

Schlagworte Mehrbedarf | Grundsicherung | Grundsicherung im Alter | Nachteilsausgleich | gehbehindert

VdK-Rechtsberatung

Der Sozialverband VdK berät und vertritt seine Mitglieder im Bereich gesetzliche Rentenversicherung, zum Beispiel zum Thema Erwerbsminderungsrente.

Mitgliedschaft
Das Bild zeigt eine Frau an einem Tablet, auf welchem die Beitrittserklärung zum VdK geöffnet ist.
Es gibt viele gute Gründe für eine Mitgliedschaft im VdK - dem mit mehr als 2 Millionen Mitgliedern größten Sozialverband Deutschlands. | weiter

VdK-TV: Wie funktioniert ein Sozialgericht?

Bericht eines ehrenamtlichen Richters über den Arbeitsplatz Sozialgericht und über die Abläufe einer Verhandlung.


VdK-TV: Kämpfen lohnt sich - wie der VdK einer Postpolio-Patientin hilft (UT)

Renate Poisel aus Weiden in der Oberpfalz, stark beeinträchtigt durch die Folgen einer Kinderlähmung, musste sich nahezu alle Hilfsmittel mit Hilfe des Sozialverbandes VdK erstreiten.


Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.