9. September 2015
SOZIALRECHT

Urteil: Krankenkasse zahlt Gehbehinderten nur Taxi zum nächstgelegenen Arzt

BSG lässt Ausnahmen nur aus „zwingenden Gründen“ zu

Schwer gehbehinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung zu einem beliebigen Arzt. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen nur das Taxi zum nächstgelegenen Arzt bezahlen, urteilte am Dienstag, 8. September 2015, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Aktenzeichen: B 1 KR 27/14 R). Ausnahmen gebe es nur bei zwingenden, insbesondere medizinischen Gründen.

Symbolfoto: Ein Taxi-Zeichen auf einem Taxi
© imago/Westend61

Damit wies das BSG die Klage eines schwerbehinderten Mannes aus Nürnberg ab. Seiner Krankenkasse, der DAK, hatte er mitgeteilt, dass er aus verschiedenen Gründen nicht die jeweils nächstgelegene Praxis besuchen wolle. So habe eine Praxis keine Hausbesuche angeboten, ein Lungenmediziner spreche einen nur schwer verständlichen Dialekt. Ein Augenarzt könne mangels Lasergerät keine entsprechenden Behandlungen durchführen.

Die DAK überzeugten diese Gründe nicht. Versicherte hätten meist sowieso keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten. Nur bei einer „außergewöhnlichen Gehbehinderung“ wie bei dem Kläger könnten die Kosten zur nächstgelegenen Praxis übernommen werden. Zusätzliche Kosten für weitere Wege würden aber nicht erstattet. Die Krankenkasse teilte dem Gehbehinderten daher mit, welche nächstgelegene Praxis für die verschiedenen Fachrichtungen infrage kommt.

Dagegen klagte der Behinderte unter Hinweis auf die freie Arztwahl. Wie schon die Vorinstanzen wies nun jedoch auch das BSG die Klage ab.

Im Interesse der Wirtschaftlichkeit sei der Verweis auf die nächstgelegene Arztpraxis rechtmäßig. Ausnahmen gebe es nur bei „zwingenden Gründen“. Das seien vorrangig medizinische Gründe, etwa einzelne Untersuchungen, die die nächstgelegene Praxis nicht durchführen kann. Andere Gründe müssten „in ihrer Wertigkeit zwingenden medizinischen Gründen entsprechen“. Denkbar seien etwa frühere Behandlungsfehler, wenn dadurch das Vertrauensverhältnis zerstört wurde.

Solche Gründe seien hier aber nicht geltend gemacht worden. Ein aus persönlichen Gründen größeres Vertrauen zu einem entfernter gelegenen Arzt reiche nicht aus, urteilte das BSG.

Das Recht auf freie Arztwahl wird dadurch nach Überzeugung der Kasseler Richter nicht verletzt. Der Schwerbehinderte könne jede Arztpraxis aufsuchen. Die zusätzlichen Kosten müsse er dann allerdings selber tragen.


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juragentur

Schlagworte Urteil | Aktenzeichen | BSG | Gehbehinderung | Taxi | Arzt | Arztprxis | Kosten | Krankenkasse | Krankenversicherung | Fahrtkostenerstattung

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