12. August 2015
SOZIALRECHT

Urteil: Kein Schwerbehindertenausweis "auf ewig"

BSG: Geheilter Krebskranker kann nicht auf Vertrauensschutz pochen

Die unbefristete Erteilung eines Schwerbehindertenausweises gilt nicht automatisch "für immer und ewig". Selbst wenn das Versorgungsamt fehlerhaft die Schwerbehinderteneigenschaft jahrzehntelang ungeprüft immer durchgewunken und zuletzt sogar unbefristet festgestellt hat, kann den längst geheilten Betroffenen der Schwerbehindertenausweis für die Zukunft entzogen werden, urteilte am Dienstag, 11. August 2015, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Aktenzeichen: B 9 SB 2/15 R). Vertrauensschutz könne in solch einem Fall nicht geltend gemacht werden.

Symbolfoto: Jemand hält einen Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat hoch
Symbolfoto: Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat | © Imago/Becker&Bredel

Im konkreten Fall hatte ein Mann aus dem Raum Ulm geklagt, der 1992 an Krebs erkrankte. Der Tumor wurde operativ entfernt. Wegen seiner Erkrankung und der Möglichkeit eines Rückfalls stufte das Versorgungsamt den Kläger ab Juli 1992 befristet für fünf Jahre als Schwerbehinderten mit einem Behinderungsgrad von 50 ein.

Mit dem erteilten Schwerbehindertenausweis standen dem Kläger ein besonderer Kündigungsschutz und Steuervorteile zu. Nach Ablauf der fünf Jahre verlängerte das Versorgungsamt ohne weitere Prüfung den Schwerbehindertenstatus bis 2002 und dann noch einmal bis 2007. Schließlich stellte die Behörde einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis aus. Eine Nachprüfung sah sie als „nicht erforderlich“ an.

Doch 2012 holte das Versorgungsamt die versäumte Überprüfung der Schwerbehinderteneigenschaft nach und stellte fest, dass der Kläger gesund war. Der Schwerbehindertenausweis wurde daraufhin für die Zukunft entzogen.

Dieser hielt die Entziehung des Ausweises für rechtswidrig. Er habe mit der jahrzehntelangen und zuletzt unbefristeten Schwerbehindertenausweiserteilung darauf vertrauen dürfen, dass nun alles so bleibt. Ihm seien auch keine Fehler wie eine Verletzung der Sorgfaltspflichten vorzuwerfen. Vielmehr habe das Versorgungsamt fehlerhaft die Überprüfung unterlassen. Mit der erneuten Erteilung des Schwerbehindertenausweises werde auch die Allgemeinheit nicht in dem Maße geschädigt.

Doch das BSG stellte fest, dass bereits 1997 der Kläger von seiner Krebserkrankung geheilt war und er schon damals nicht mehr als Schwerbehinderter hätte gelten dürfen. Auf Vertrauensschutz könne der Kläger nicht pochen. Selbst nach einer jahrzehntelangen Untätigkeit des Versorgungsamtes werde die Einziehung des Schwerbehindertenausweises für die Zukunft nicht rechtswidrig.

Das Versorgungsamt habe sein Recht, den Ausweis wieder einzuziehen, auch nicht verwirkt. Dies sei nur möglich, wenn die Behörde dem Kläger ausdrücklich zu verstehen gegeben hätte, dass sie trotz der gesundheitlichen Besserung auf ihr Aufhebungsrecht verzichten will. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.

Die unbefristete Ausstellung des Schwerbehindertenausweises begründe für sich genommen auch keine Rechte. Es werde damit lediglich die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dokumentiert. Sie aufzuheben habe das Versorgungsamt lediglich aus Versehen unterlassen, so das BSG.


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Schlagworte BSG | Bundessozialgericht | unbefristet | Befristung | Schwerbehinderung | Schwerbehindertenausweis | Krebs | Grad der Behinderung | Überprüfung | Vertrauensschutz

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