23. November 2021
PFLEGE

Pflege: Entlastungsleistungen werden nicht genutzt

VdK sieht Pflegebedürftige mit geringem Hilfebedarf klar benachteiligt

Mit einer Musterklage will der Sozialverband VdK erreichen, dass Entlastungsleistungen besser genutzt werden können. Denn in vielen Regionen Deutschlands stehen kaum Angebote zur Verfügung, und haushaltsnahe Dienstleistungen sind besonders schwer zu bekommen.


Entlastungsbetrag kommt bei den Betroffenen nicht an

Mit dem Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat sollen pflegende Angehörige zum Beispiel Hilfe im Haushalt oder eine Pflegekraft bezahlen, die die Betreuung übernimmt, wenn man mal eine Auszeit braucht. Doch viele wissen gar nicht, dass ihnen dieser Betrag zusteht oder sie finden an ihrem Wohnort keinen qualifizierten Anbieter.


Seit 2017 haben alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1 Anspruch auf Entlastungs- und Betreuungsangebote, um den Alltag und die häusliche Pflege zu erleichtern. Dafür stellen die Pflegekassen unabhängig vom Pflegegrad monatlich 125 Euro zur Verfügung. Doch dieses Geld wird nur von den wenigsten abgerufen.

Der Grund dafür liegt nicht etwa im mangelnden Interesse an bezahlter Unterstützung. Im Gegenteil: Immer wieder berichten Mitglieder, dass sie keinen nach Landesrecht anerkannten Dienst finden, der nur für kleine Hilfestellungen vorbeikommt, oder dass die ganze Region unterversorgt ist.

Ein Mitglied aus Bayern ist vor Gericht gezogen. Der VdK hat ihn dabei unterstützt. Der Mann hatte für seine mittlerweile verstorbene Frau die Entlastungsleistungen abrufen wollen, aber keinen anerkannten Dienstleister gefunden. Ein Pflegedienst erklärte, es würden keine neuen Klienten mehr angenommen, zwei andere verwiesen auf lange Wartelisten. Schließlich beauftragte der Mann im Namen seiner Frau einen Hausmeisterservice für mehrere Monate mit der Reinigung der Wohnung und reichte die Rechnung bei der Pflegekasse ein. Diese lehnte die Kostenübernahme ab mit der Begründung, der Hausmeisterservice sei kein nach Landesrecht anerkannter Dienstleister. Der Kläger argumentierte, zu den Aufgaben der Pflegeversicherung gehöre auch, eine entsprechende Infrastruktur für Leistungen herzustellen.

Der Fall landete erst beim Sozial­gericht Augsburg, das die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen hat. Daraufhin legte der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht ein. Diese wurde abgelehnt. Zu Unrecht, ist der VdK überzeugt. Deshalb hat der Verband beim Bundessozial­gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht.

Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, betonen die Juristen der VdK-Bundesrechtsabteilung. Der Kläger stehe mit seinem Problem, dass es für haushaltsnahe Dienstleistungen kaum Angebote gibt, nicht allein da. Viele Pflegebedürftige, die nur kleine Hilfen im Haushalt benötigen oder zu Hause versorgt werden, befänden sich in einer ähnlichen Situation.

Der VdK sieht Menschen, die keinen Pflegedienst in Anspruch nehmen, klar benachteiligt. Denn ambulante Dienste bieten Entlastungsleistungen oft nur denjenigen an, die auch andere Pflegesachleistungen wie etwa Tages- oder Nachtpflege in Anspruch nehmen. Das widerspricht dem allgemeinen Gleichheitssatz, so der VdK. Die Pflegebedürftigen hingegen, die die Entlastungsleistungen nicht nutzen können, müssen jährlich viele Hundert Euro verfallen lassen.

Hinzu kommt, dass Hilfen bei der Körperpflege kaum zu erhalten sind. Für haushaltsnahe Dienstleistungen, wie etwa eine Badreinigung, oder für die Begleitung beim Spaziergang werden häufig Stundensätze von 40 Euro und mehr verlangt.

Annette Liebmann


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Schlagworte Entlastungsleistungen | Pflege | häusliche Pflege | pflegende Angehörige | Musterklage

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