4. Juli 2023
BEHINDERUNG

VdK-Mitglied kann wegen Behinderung Bahncard für die 1. Klasse nicht nutzen

„Gewissermaßen klassenlos“

Personen zweiter Klasse? Ein Gefühl, das Menschen mit Behinderung beschleicht, wenn sie immer wieder an sichtbare und unsichtbare Barrieren stoßen, die sie an der Teilhabe hindern. Für VdK-Mitglied Friederike Winter aus Karlsruhe wurde dieses Gefühl konkret: Als Rollstuhlfahrerin kann sie bei der Deutschen Bahn nicht in der 1. Klasse reisen.

Symbolfoto: Wagen der Deutschen Bahn am Berliner Ostkreuz, auf dem Wagen ist ein großes Rollstuhl-Piktogramm
© IMAGO / Jürgen Ritter

Friederike Winter ist contergangeschädigt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Bis vor einigen Jahren konnte die Mutter von vier Kindern und Großmutter von drei Enkeln noch als Pflegekraft in einem Krankenhaus arbeiten, aber die Spätschäden ihrer Krankheit machten der 62-Jährigen mehr und mehr zu schaffen, so dass sie 2017 Erwerbsminderungsrente beantragen musste.

Mehr Komfort

Um bequem reisen zu können, hatte sich Winter, die einen Rollator nutzt, eine Bahncard für die 1. Klasse gekauft. Als sie jetzt für einen Konzertbesuch in Köln einen Rollstuhlfahrerplatz im ICE buchen wollte, erhielt sie die Auskunft, dass es in der 1. Klasse grundsätzlich keine Rollstuhlplätze gebe.
„Wieso sollen Menschen mit Schwerbehinderung nur 2. Klasse fahren?“, fragt sie und empfindet dies als diskriminierend. Die Deutsche Bahn sieht das anders: Der „rollstuhlgerechte Bereich“ in den ICE-Zügen, der meist in der Nähe der Bordgastronomie angesiedelt sei, könne „gewissermaßen als klassenlos“ gelten, erklärt eine Konzernsprecherin auf Anfrage.

Die Vorzüge der 1. Klasse, wie eine größere Platzfläche, höhenverstellbare Tische, der Zugang zu einer geräumigen „Universaltoilette“ sowie die Möglichkeit, über den Serviceruf Essen und Getränke zu bestellen, seien auch hier vorhanden. In der Regel verfüge jeder ICE über zwei Rollstuhlplätze, was nach Auskunft der Sprecherin ausreiche. Mehrere Sitzplätze in beiden Wagenklassen mit diesen Merkmalen auszustatten sei hingegen „wirtschaftlich nicht darstellbar“.

Leider nützt diese vorbildliche Ausstattung Friederike Winter wenig. Denn nur „nicht faltbare“ Rollatoren werden von der Deutschen Bahn mit Rollstühlen gleichgesetzt. Das Modell unseres VdK-Mitglieds lässt sich jedoch – wie die meisten Rollatoren – zusammenklappen und wird in der Logik der Deutschen Bahn daher „gehandhabt wie ein Koffer“. Das heißt, der Rollator muss verstaut werden – für Alleinreisende mit Einschränkungen sicher eine Herausforderung. Friederike Winter überlegt jetzt, ihre Bahncard zurückzugeben und künftig nur noch mit dem Auto zu verreisen.

Barbara Goldberg


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    09.01.2023

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