1. April 2011
Musterklagen

Bundessozialgericht entscheidet endgültig zur Beitragspflicht auf Direktversicherungen

Am 30. März 2011 hatte das Bundessozialgericht (BSG) über mehrere anhängige Revisionen zur Beitragspflicht auf Direktversicherungen zu entscheiden und dabei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen.

Dieses hatte nämlich im Oktober letzten Jahres die Beitragsbelastung in bestimmten Fällen zumindest teilweise für verfassungswidrig erklärt (Fallgruppe 2.2 - siehe dazu diesen Artikel von 10/2010). Maßgeblich sei, ob der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer im Vertrag eingetragen sei oder der Versicherte nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis selbst als Versicherungsnehmer den Vertrag übernommen habe.

Die wesentlichen Aussagen der aktuellen BSG-Entscheidungen können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Die Krankenkassen dürfen nur Beiträge aus einmaligen Zahlungen aus Direktversicherungen erheben, soweit die Zahlungen auf Prämien, Einzahlungen und Erträgen beruhen, die in dem Zeitraum zustande kamen, in dem der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer war. Hat der Versicherte nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses selbst den Vertrag als Versicherungsnehmer übernommen und weiter finanziert, so sind ab diesem Zeitpunkt eingezahlte Anteile sowie Erträge aus der Kapitalleistung nicht beitragspflichtig.
  • Dies gilt auch für die umgekehrte Reihenfolge: Schließt ein Versicherter zunächst eine private Lebensversicherung ab und bringt diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in eine über den Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung ein, dann ist auch in diesen Fällen der Anteil der Gesamtleistung nicht beitragspflichtig, der in dem Zeitraum eingezahlt und angespart wurde, in dem die Versicherung noch eine rein private Lebensversicherung war.
  • Solange der Arbeitgeber der offizielle Versicherungsnehmer laut Vertrag ist, spielt es für die spätere Beitragspflicht keine Rolle, ob die Direktversicherung vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer, anteilig oder alleine, finanziert wurde. Auch ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer die Prämien alleine, aus eigenem oder bereits sozialversicherungspflichtig behandeltem Entgelt oder aus Entgelt jenseits der Beitragsbemessungsgrenze finanziert hat und der Arbeitgeber nur rein formal für die Abwicklung des Vertrags sorgt, sich aber nicht an der Finanzierung beteiligt. In diesen Fällen ist die Kapitalleistung beitragspflichtig. Das entspricht auch vorherigen Entscheidungen des Bundessozial- und des Bundesverfassungsgerichts.
  • Laut BSG sollen die Zahlstellen – das sind in diesen Fällen die Versicherungsunternehmen, Pensionskassen o. ä. - nachvollziehbare und überprüfbare Aufstellungen machen, aus denen hervorgeht, welche Anteile unter dem "Versicherungsnehmer Arbeitgeber" und unter dem "Versicherungsnehmer Arbeitnehmer" angespart wurden und demnach unter die Beitragspflicht fallen bzw. beitragsfrei bleiben. Dabei sollen die Zahlstellen die tatsächlich geleisteten Prämien und Einzahlungen berücksichtigen.
  • Sollte es in Einzelfällen nicht möglich sein, die konkreten, tatsächlich geleisteten Einzahlungen und Prämien nachzuweisen, kann die Zahlstelle hilfsweise bei der Berechnung auch die jeweilige Zeitdauer berücksichtigen. Dann müsste aufgeschüsselt werden, wie lange insgesamt der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer war und wie lange demgegenüber der Versicherte selbst der Vertragspartner gewesen ist. Aus einer solchen Aufstellung muss hervorgehen, in welchem Verhältnis die Prämienleistungen einerseits und die darauf beruhenden Ablaufleistungen andererseits zueinander gesetzt werden.
  • Die unüberschaubare Vielfalt der Ausgestaltungsmöglichkeiten für Kapitalversicherungen, so das Bundessozialgericht, erschwere eine Festlegung allgemeingültiger Berechnungsmodelle für die punktgenaue Zuordnung von Kapitalerträgen in jedem Einzelfall oder mache sie sogar unmöglich.

In den meisten Fällen wird aber eine einfache und klare Zuordnung der Anteile durch die Zahlstellen möglich sein. Betroffene sollten sich also an ihre Zahlstellen (Versicherungsunternehmen) wenden und eine entsprechend nachvollziehbare und überprüfbare Aufstellung der geleisteten Prämien, Einzahlungen und Erträge unter Berücksichtigung des jeweiligen Versicherungsnehmers verlangen.

Dann sollte die Krankenkasse aufgefordert werden, den gesamten Auszahlungsbetrag um den Anteil zu kürzen, der unter der eigenen Versicherungsnehmerschaft zustande kam, und darauf beruhend die Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge neu zu berechnen.

Eine abschließende Bewertung kann erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe vorgenommen werden. (cz/cl)

Zum Bericht auf den Seiten des Bundessozialgerichts (siehe insbesondere die Fälle 4 und 6):

BSG-Terminbericht Nr. 13/11 vom 31.3.2011

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