14. Dezember 2018
SOZIALRECHT

Klare Patientenverfügung auch ohne Gerichtsentscheid bindend

Der Sterbewunsch in einer Patientenverfügung kann auch ohne Gerichtsbeschluss für Ärzte, Angehörige und Betreuer bindend sein. Das ist der Fall, wenn sich für die konkrete Situation ein entsprechender Wille bereits aus der Patientenverfügung ergibt, wie der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschied. Danach kann auch eine recht allgemeine Formulierung in der Verfügung ausreichen.

Eine Person unterschreibt ein Dokument oder eine Verfügung.
Patientenverfügung: Wie muss man sie verfassen? Welche Formulierungen sind wichtig? | © Pixabay

Nach dem Leitbeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. Dezember 2018 darf eine inzwischen 78 Jahre alte Frau aus Bayern sterben. Nach einem Schlaganfall 2008 hatte sie einen vorübergehenden Kreislaufstillstand. Seitdem liegt sie im Wachkoma. Über eine Magensonde wird sie künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

In einer bereits 1998 geschriebenen Patientenverfügung lehnte die Frau lebensverlängernde Maßnahmen ab, wenn „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. Um Schmerzen zu lindern, nehme sie gegebenenfalls auch eine Verkürzung ihres Lebens in Kauf. „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung“, heißt es weiter in der Verfügung.

In derselben Urkunde benannte sie ihren Sohn als „Vertrauensperson“, um ihren Willen durchzusetzen. Das Amtsgericht Freising benannte ihn und auch den Ehemann der Frau als Betreuer.

Streit in der Familie über den mutmaßlichen Willen

Seit 2014 spricht sich der Sohn in Einvernehmen mit dem Arzt für ein Ende der künstlichen Ernährung aus. Dagegen sperrte sich aber der Ehemann. Im ersten Durchgang entschieden Amts- und Landgericht für eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung, weil die Frau Sterbehilfe abgelehnt habe und gläubige Katholikin sei.

Diese Urteile hatte der BGH 2017 aufgehoben und den Streit zur erneuten Prüfung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen (Beschluss vom 8. Februar 2017, Az.: XII ZB 604/15). In eine Patientenverfügung dürfe nicht etwas hineingelesen werden, das dort nicht steht. Ein Abbruch der künstlichen Ernährung sei keine aktive Sterbehilfe.

Im zweiten Durchgang holte das Landgericht ein medizinisches Gutachten ein. Danach ist die Voraussetzung der Patientenverfügung erfüllt, dass „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. Daher befand nun das Landgericht, dass die Frau keine lebenserhaltenden Maßnahmen mehr wünscht. Eine Beendigung der künstlichen Ernährung bedürfe in dieser Situation keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung.

Patientenverfügung: Was gilt eine Formulierung?

Dies hat der BGH mit seinem neuen Beschluss nun bestätigt. Zwar bekräftigten die Karlsruher Richter, dass eine Erklärung „Lebensverlängernde Maßnahmen lehne ich ab“ nicht ausreichend ist. Hier habe die Patientin dies aber deutlich auf Situationen bezogen, in denen „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. Dies sei zwar immer noch eine weite Formulierung; sie sei aber auf die konkrete Situation der Patientin anwendbar und treffe nach den neuen Feststellungen des Landgerichts auch zu. Der in der Patientenverfügung geäußerte Sterbewunsch sei daher für alle unmittelbar bindend.

Außerhalb der Patientenverfügung liegende Umstände seien in solchen Situationen nur eingeschränkt dann zu berücksichtigen, wenn es Hinweise auf eine Änderung des Patientenwillens gibt. Generell könnten Ärzte und Betreuer aber nicht erwarten, dass Patienten in ihrer Verfügung ihre künftige Lebenssituation vorausahnen und entsprechend genau dazu ihre Wünsche erklären, betonte der BGH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 14. November 2018 (Az.: XII ZB 107/18).

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Schlagworte Patienten | Patientenverfügung | Familie | freier Wille | Sterbehilfe

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