30. August 2018
SOZIALRECHT

Höheres Arbeitslosengeld für freigestellte Arbeitnehmer

Von der Arbeit unwiderruflich freigestellte Arbeitnehmer können nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses meist höheres Arbeitslosengeld I beanspruchen als bislang. Denn der während der Freistellungsphase gezahlte Arbeitslohn muss bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes I mit berücksichtigt werden, urteilte das Bundessozialgericht.

Symbolfoto: Scrabble-Steine bilden das Wort
© Dieter Schütz/pixelio.de

Das Bundessozialgericht (BSG) hat ein arbeitnehmerfreundliches Urteil gefällt: Danach können Arbeitnehmer, die endgültig von einer Arbeit bei einem bestimmten Unternehmen freigestellt sind, nach dem Auslaufen des Arbeitsvertrages mehr Arbeitslosengeld I (ALG I) erhalten als bislang. Denn der während der Freistellungsphase gezahlte Arbeitslohn muss künftig bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes I mit berücksichtigt werden, urteilte am 30. August 2018 das BSG (Az.: B 11 AL 15/17 R). Die Kasseler Richter erklärten damit die bisherige Berechnungspraxis der Bundesagentur für Arbeit (BA) für rechtswidrig.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen berechnet sich das ALG I nach dem Arbeitsentgelt des letzten Jahres. Bei längeren Freistellungszeiträumen kann dieser zeitliche Rahmen auf zwei Jahre erweitert werden. Entscheidend ist danach, ab wann das Beschäftigungsverhältnis endet. Hat der Arbeitnehmer in dem maßgeblichen Zeitraum weniger als 150 Tage Arbeitsentgelt beanspruchen können, richtet sich die Höhe des Arbeitslosengeldes I nach einem fiktiven Einkommen entsprechend der Qualifikation des Arbeitnehmers.

Freigestellt nach Aufhebungsvertrag

Im entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Pharmareferentin aus dem Raum Gelsenkirchen geklagt. Sie hatte mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach sollte sie ab dem 1. Mai 2011 von der Arbeit freigestellt werden. Das Arbeitsverhältnis endete dann zum 30. April 2012. In diesem Zeitraum erhielt sie weiter ihr Arbeitsentgelt. Für ihren Arbeitgeber stand sie für berufliche Fragen aber weiter zur Verfügung.

Als das Arbeitsverhältnis endete, erhielt die Frau wegen einer Erkrankung bis zum 24. März 2013 Krankentagegeld von einer privaten Versicherung. Danach hatte sie sich arbeitslos gemeldet.

Doch sie erhielt lediglich 28,72 Euro Arbeitslosengeld pro Kalendertag. Die Arbeitsagentur hatte die Zeiten der Freistellungsphase und das dabei erhaltene Arbeitsentgelt nicht bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt.

Die Beschäftigung habe mit dem Beginn der Freistellung geendet, als die Frau ihre Arbeitsleistung nicht mehr erbracht hatte, so die Begründung. Da sie auch in dem Bemessungszeitraum von hier zwei Jahren weniger als 150 Tage beschäftigt gewesen sei, hatte die Arbeitsagentur ein fiktives Einkommen für das Arbeitslosengeld I zugrunde gelegt.

Freistellungen von der Arbeit zählen für ALG I

Diese gängige Vorgehensweise der Behörde erklärte das BSG nun für rechtswidrig. Die BA müsse Zeiten der Freistellung und das dabei erhaltene Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes I berücksichtigen. Denn auch während der Freistellungsphase seien auf das Arbeitsentgelt Versicherungsbeiträge geleistet worden, so die Kasseler Richter. Die Beschäftigung ende daher nicht bereits mit Beginn der Freistellung, sondern erst mit dem versicherungsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses.

Von dem Urteil können auch freigestellte Arbeitnehmer profitieren, die bereits bestandskräftige Arbeitslosengeld-Bescheide erhalten haben. Sie können nun bei der Arbeitsagentur eine Überprüfung der Bescheide der letzten vier Jahre beantragen und auf einen Arbeitslosengeld-Nachschlag hoffen.

Lesen und sehen Sie mehr:

SOZIALE GERECHTIGKEIT
Das Zeichen der Arbeitsagentur als Symbol für das Thema Arbeitslosigkeit.
Wann muss man sich arbeitslos melden? Wie hoch ist das Arbeitslosengeld? In unserem Beitrag geben wir Antworten rund um das Thema Arbeitslosigkeit. | weiter
03.07.2018 | sko
URTEILE IM SOZIALRECHT
Symbolfoto: Außenansicht der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit
Wer eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermeiden will, muss sich frühzeitig bei der Agentur für Arbeit melden. Diese Praxis hat das BSG nun bestätigt. | weiter
30.08.2018 | ©Juragentur

VdK-TV: Ratgeber zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Wer hat eigentlich Anspruch auf die "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung"? Der VdK hilft bei der Antragstellung und, falls nötig, beim Einlegen eines Widerspruchs gegen den Bescheid.

©Juragentur

Schlagworte Arbeitslosengeld 1 | Freistellung | Arbeitsagentur | Bundessozialgericht | ALG 1 | arbeitslos

VdK-Rechtsberatung

Der Sozialverband VdK berät und vertritt seine Mitglieder im Bereich gesetzliche Rentenversicherung, zum Beispiel zum Thema Erwerbsminderungsrente.

Mitgliedschaft
Das Bild zeigt eine Frau an einem Tablet, auf welchem die Beitrittserklärung zum VdK geöffnet ist.
Es gibt viele gute Gründe für eine Mitgliedschaft im VdK - dem mit mehr als 2 Millionen Mitgliedern größten Sozialverband Deutschlands. | weiter

VdK-TV: Wie funktioniert ein Sozialgericht?

Bericht eines ehrenamtlichen Richters über den Arbeitsplatz Sozialgericht und über die Abläufe einer Verhandlung.


VdK-TV: Kämpfen lohnt sich - wie der VdK einer Postpolio-Patientin hilft (UT)

Renate Poisel aus Weiden in der Oberpfalz, stark beeinträchtigt durch die Folgen einer Kinderlähmung, musste sich nahezu alle Hilfsmittel mit Hilfe des Sozialverbandes VdK erstreiten.


Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.