28. Juni 2018
SOZIALRECHT

Keine Rente ab 63 bei Schließung von Außenstelle eines Unternehmens

Wer die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nutzen will, muss mindestens 45 Jahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben. Darin fließen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit ein - es sei denn, man war zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos. Diese zwei Jahre zählen nur ausnahmsweise mit, zum Beispiel dann, wenn der Arbeitgeber sein Geschäft vollständig aufgibt. Doch wann liegt eine vollständige Geschäftsaufgabe vor? Mit dieser Frage hat sich das Bundessozialgericht in Kassel befasst.

Auf einem Maßband steht die Zahl 63.
Rente mit 63: Wie werden Zeiten gezählt, in denen man arbeitslos war? | © imago/Christian Ohde

Leistung soll sich lohnen. Daher kann, wer mindestens 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, ab 63 Jahren in den Ruhestand gehen, also vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter.

In die Rentenversicherungszeiten fließen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit ein – es sei denn, man war zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos. Dann zählen diese Zeiten nur in Ausnahmefällen dazu, nämlich dann, wenn die Arbeitslosigkeit Folge einer Insolvenz des Unternehmens oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe waren.

Umstritten ist in der Praxis aber, was genau eine „vollständige Geschäftsaufgabe“ ist. Diese Frage hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel nun entschieden (Aktenzeichen B 5 R 25/17 R).

Rente ab 63: Wann hat man einen Rentenanspruch?

Der im Februar 1951 geborene Kläger arbeitete zuletzt bei einem Unternehmen, das mehrere hundert Standorte in Deutschland betreibt. Der Standort, an dem der Kläger tätig war, wurde aufgrund betriebsorganisatorischer Veränderungen geschlossen und dem Kläger aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Von Januar 2013 bis Juni 2014 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 1. Juli 2014 ab, weil der Kläger die 45-jährige Wartezeit (=540 Monate) nicht erfüllt habe.

Bis Ende Dezember 2012 habe er nur 536 Monate zurückgelegt, die auf die Wartezeit angerechnet werden könnten. Die Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn seien nicht berücksichtigungsfähig, weil der Arbeitgeber nicht die gesamte Betriebstätigkeit eingestellt habe, sodass keine vollständige Geschäftsaufgabe vorliege.

Rente ab 63: Arbeitgeber muss Geschäft vollständig aufgeben

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen und das Landessozialgericht die Berufung des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurückgewiesen. Nach dem Gesetzeswortlaut genüge es nicht, dass der Arbeitgeber irgendein Geschäft aufgebe. Er müsse vielmehr seine gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten vollständig aufgeben, was nicht gegeben sei. Dagegen wehrte sich der Kläger mit der Revision.

Diese hat das BSG nun verworfen und die Vorinstanzen in ihrer Argumentation bestätigt. Der Begriff der "vollständigen Geschäftsaufgabe" sei zwar nicht klar definiert. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes könne darunter aber nur der vollständige "Wegfall des Unternehmens" verstanden werden. Damit wolle der Gesetzgeber eine "missbräuchliche Frühverrentung" verhindern.

Im konkret verhandelten Fall habe das Unternehmen nur eine Außenstelle aufgegeben, nicht seine komplette Geschäftstätigkeit.

Der Sozialverband VdK wendet sich seit langem gegen die Regel bei der Rente ab 63, nach der Zeiten der Arbeitslosigkeit zwei Jahre vor Rentenbeginn nur ausnahmsweise in die Versicherungszeiten einfließen (siehe Text oben). Gegen die aktuelle Rechtslage hat der VdK gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Lesen Sie in diesem Beitrag mehr über unsere Beschwerde.

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Schlagworte Altersrente | Rente mit 63 | Insolvenz | Bundessozialgericht

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