2. Mai 2018
SOZIALRECHT

Kasse muss nicht für stationär vorgenommene Fettabsaugung zahlen

Das Bundessozialgericht in Kassel hat entschieden: Patienten mit einer schmerzhaften Fettgewebsstörung müssen eine medizinische Fettabsaugung grundsätzlich selbst bezahlen. Denn diese Behandlung des sogenannten Lipödems entspreche nicht dem medizinischen Qualitätsgebot, für das gesetzliche Krankenkassen mit ihren Leistungen einstehen müssten.

Eine Patienten lässt sich von ihrem Arzt etwas erklären, das er ihr auf einem Tablet zeigt.
Patienten: Die Krankenkassen zahlen nicht alle Behandlungen. | © imago/Science Photo Library

Das Lipödem, auch bekannt als Reiterhosensyndrom, ist eine schmerzhafte, massive Fettverteilungsstörung, von der fast nur Frauen betroffen sind. Besonders an Hüften, Beinen, aber auch Armen setzt sich verstärkt Fett an. Die Folgen können starke gesundheitliche Beeinträchtigen wie Gangstörungen, Blutergüsse, Druckschmerzen und psychische Belastungen sein.

Wer sein Lipödem ärztlich behandeln und eine Fettabsaugung in einer Klinik durchführen lassen möchte, muss die Kosten dafür selbst tragen, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 24. April 2018 entschieden hat. Die Sozialrichter begründeten dies damit, dass diese Behandlung nicht dem medizinischen Qualitätsgebot entspricht, für das die gesetzlichen Krankenkassen mit ihren Leistungen einstehen müssen (Az.: B 1 KR 10/17 R und B 1 KR 13/16 R). Es reiche für eine Kostenübernahmepflicht nicht aus, dass die stationär vorgenommene Fettabsaugung das Potenzial einer Behandlungsalternative zu konventionellen Therapien haben kann, so die Kasseler Richter.

Krankenkassen müssen Liposuktion nicht zahlen

Die konventionelle Therapie umfasst manuelle Lymphdrainagen, das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder auch eine Bewegungstherapie und zielt auf eine Linderung der Beschwerden ab. Da diese Behandlungen von vielen Frauen als unzureichend empfunden werden, wird regelmäßig die Fettabsaugung als Therapie gewünscht.

Ambulant wird diese aber nicht von den Krankenkassen bezahlt, da es an einer entsprechenden Empfehlung des sogenannten Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen fehlt. Dieser entscheidet über die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Allerdings hat der G-BA 2017 festgestellt, dass die Fettabsaugung, die sogenannte Liposuktion, das Potenzial einer Behandlungsalternative haben könnte. In den nächsten drei Jahren soll dies in einer Erprobungsstudie geklärt werden. Die Kosten werden für die teilnehmenden Patienten übernommen.

In einem, vom BSG entschiedenen Fall hatte die aus Weinheim stammende und an einem Lipödem erkrankte Klägerin keinen Ausweg mehr gesehen. Sie hatte die Kosten für drei in einem Krankenhaus vorgenommenen Fettabsauge-Behandlungen in Höhe von insgesamt 11.363 Euro vorgestreckt. Bereits bei der ersten Behandlung wurden ihr an jedem Bein 7,9 Liter Fett abgesaugt.

Von ihrer Krankenkasse, der Barmer, verlangte sie die Übernahme der Behandlungskosten. Dabei berief sie sich auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA noch keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt werden, „wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten“.

Laut Gesetzesbegründung könne es danach eine Leistungspflicht der Krankenkassen geben, wenn die Therapie eine „vielversprechende Behandlungsalternative“ darstellt. Der medizinische Nutzen müsse dann nicht mit Studien umfassend belegt sein. Hier habe der G-BA bereits festgestellt, dass die Fettabsaugung das Potenzial einer Behandlungsalternative haben könnte, so die Klägerin.

Kasse lehnt Behandlung ab: Qualität medizinisch nicht ausreichend belegt

Die Barmer verwies darauf, dass die Qualität der Behandlung nicht ausreichend mit Studien belegt sei. Die von der Klägerin angeführte Gesetzesbegründung dürfe kein Freifahrtschein zur Kostenübernahme sein.

Das BSG urteilte, dass die auch in einem Krankenhaus stationär durchgeführte Fettabsaugung grundsätzlich nicht von den Krankenkassen bezahlt werden muss. Wegen der nicht hinreichenden Studienlage sei die Qualität der Behandlung nicht gesichert. Kassen müssten nur Leistungen gewähren, wenn das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot eingehalten wird.

Nach dem Gesetz könne zwar eine Leistungspflicht der Krankenkassen bestehen, wenn im Krankenhaus vorgenommene Therapien das Potenzial einer Behandlungsalternative bieten. Dabei müsse aber das Qualitätsgebot „im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Einsatzes der Mittel der Beitragszahler“ eingehalten werden. Mit der Sicherung des Qualitätsgebotes werde auch die Gleichbehandlung aller Versicherten gewährleistet.

Soweit die Gesetzesbegründung vom eigentlichen Gesetzeswortlaut abweicht, sei letztlich der Gesetzeswortlaut maßgeblich, betonten die Kasseler Richter.

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