9. März 2018
SOZIALRECHT

Bei gemeinschaftlicher Vollmacht muss man kooperieren können

Sollen zwei Familienmitglieder nach einer Vorsorgevollmacht einen erkrankten Angehörigen gemeinsam vertreten und dessen Angelegenheiten regeln, müssen diese sich auch vertragen können. Denn für die Zusammenarbeit ist ein „Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft“ erforderlich, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Symbolfoto: Junge Frau und Seniorin betrachten gemeinsam ein Fotoalbum
© imago/McPHOTO

Wer gemeinsam mit einem anderen Familienangehörigen über eine Vorsorgevollmacht dazu berechtigt ist, einen erkrankten Familienangehörigen zu vertreten und dessen Angelegenheiten zu regeln, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Die beiden Bevollmächtigten müssen sich mindestens vertragen können. Denn für die Zusammenarbeit ist ein „Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit“ erforderlich, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 31. Januar 2018 (Az.: XII ZB 527/17). Anderenfalls könne die Bestellung eines externen Betreuers oder eines Kontrollbetreuers notwendig sein.

Konkret ging es um eine heute 95-jährige demenzkranke Frau, die in einem Heim untergebracht ist. Bereits Ende Oktober 2003 hatte sie für solch einen Krankheitsfall vorgesorgt. Sie erteilte ihrer Tochter und ihrer Schwiegertochter eine notarielle General- und Altersvorsorgevollmacht. Tochter und Schwiegertochter durften danach allerdings nur gemeinschaftlich die Angelegenheiten der Frau im Krankheitsfall regeln.

Generalvollmacht umfasste Fragen des Vermögens

Die Generalvollmacht umfasste dabei den vermögensrechtlichen Teil, die Altersvorsorgevollmacht ermächtigte zu Entscheidungen im Bereich Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge.

Die gemeinschaftliche Ausübung der Vollmacht klappte jedoch nicht. Die Tochter beantragte daher 2006, als Betreuerin für ihre demenzkranke Mutter bestellt zu werden. Im Laufe des Verfahrens regte sie die Bestellung eines externen Betreuers oder eines Kontrollbetreuers an. Letzterer hätte die Aufgabe, die Betreuung der beiden Angehörigen zu überprüfen.

Die Tochter begründete ihren Antrag damit, dass die Schwiegertochter sie übergehe und ohne sie alleine tätig geworden sei, um die Angelegenheiten ihrer Mutter zu regeln. Sie habe zudem den Verdacht, dass die Schwiegertochter sich am Konto der Mutter bedient und rund 145.000 Euro abgebucht und verbraucht hat.

Vor Gericht hatte die Tochter zunächst keinen Erfolg. Das Amtsgericht Naumburg lehnte sowohl einen Betreuer als auch einen Kontrollbetreuer ab. Das Landgericht Halle entschied allein zur Bestellung eines Kontrollbetreuers, den es aber nicht für erforderlich hielt.

Die Tochter könne doch auf ihre Vollmacht pochen und die von ihr beklagten mangelnden Auskünfte über ihre im Heim lebende Mutter von der Schwägerin einfordern. Dafür brauche es keinen Kontrollbetreuer. Dass die Schwiegertochter sich am Konto der Mutter unrechtmäßig bedient habe, sei nicht belegt und nur ein bloßer Verdacht, so das Landgericht.

Vollmachten: Wann kommt ein Kontrollbetreuer zum Einsatz?

Für die gemeinschaftliche Vertretung der Mutter wäre zwar eine gut funktionierende Abstimmung wünschenswert. Ein Defizit im Vertrauensverhältnis zwischen den Bevollmächtigten führe aber noch nicht zu der Bestellung eines Kontrollbetreuers.

Der BGH folgte dem nicht und verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. So hätte nicht nur das Amtsgericht, sondern auch das Landgericht die Einrichtung einer regulären Betreuung selbst „umfassend“ prüfen müssen. Bei Vorliegen einer Vollmacht sei die Bestellung eines Betreuers zwar grundsätzlich nicht möglich. Bei einer gemeinschaftlichen Vollmacht müssten die Bevollmächtigten aber zur gemeinschaftlichen Vertretung auch in der Lage sein.

Dazu bedürfe es einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten „und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit“, forderte der BGH.

Dies sei hier nicht gewährleistet gewesen. So sei die Schwiegertochter offensichtlich allein als Vertreterin der Mutter und ohne Einvernehmen mit der Tochter tätig geworden. Außerdem sei das Verhältnis so belastet, dass ein einvernehmliches Handeln auch nicht zu erwarten sei. Das Landgericht müsse daher noch einmal prüfen, ob nicht doch die Bestellung eines Betreuers oder gegebenenfalls eines Kontrollbetreuers erforderlich ist.

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Schlagworte Vorsorge | Vorsorgevollmacht | Betreuer | Berufsbetreuer | Bundesgerichtshof

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