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Gerichte müssen hör- und sprachbehinderten Menschen die Verständigung im Gerichtsverfahren ermöglichen und erforderliche technische Hilfsmittel anbieten. Anderenfalls liegt ein Verstoß auf Gewährung rechtlichen Gehörs und damit ein Verfahrensmangel vor, entschied das Bundessozialgericht.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat einen für Hörbehinderte wichtigen Beschluss veröffentlicht: Danach müssen Gerichte sicherstellen, dass sich hör- und sprachbehinderte Menschen in gerichtlichen Verfahren verständigen können. Gerichte müssen dafür etwa technische Hilfsmittel bereitstellen (Beschluss veröffentlicht am 10. November 2017, Az.: B 3 KR 7/17 B).
Im konkreten Rechtsstreit benötigte die aus Nordrhein-Westfalen stammende hörbehinderte Klägerin Hörgeräte für beide Ohren. Von ihrer Krankenkasse verlangte sie die Kostenübernahme für teurere Geräte. Nach ihrer Erfahrung komme ein eigenanteilsfreies Kassen-Hörgerät nicht infrage, da diese die Anforderungen – etwa zum Fernsehen und Telefonieren – nicht erfüllten. Sie probierte dieses daher auch nicht aus.
Vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hatte sie mit ihrer Klage keinen Erfolg. Ihre Aussagen zum Bedarf ihrer Hörgeräte seien nicht glaubhaft und widersprüchlich gewesen. Sie hätte zudem die Kassen-Hörgeräte testen müssen.
Die Klägerin rügte einen Verfahrensmangel. Sie habe dem Prozessverlauf wegen ihrer Hörbehinderung nicht ausreichend folgen können. Das LSG habe auch nicht gewünscht, dass sie bei der Verhandlung ein Hörgerät nutzt. Da dieses direkt am Ohr mit einem Mikrofon Stimmen aufnehme und in das Organ weiterleite, habe ein Richter befürchtet, dass damit unzulässige Tonaufnahmen angefertigt werden könnten. Später konnte sich der Richter des LSG daran nicht genau erinnern, schloss die Angabe der Frau aber auch nicht aus. Einen Antrag auf Nutzung des Hörgerätes habe sie aber nicht gestellt.
Das BSG stellte in seinem Beschluss vom 28. September 2017 nun einen Verfahrensmangel fest. Das LSG habe der Klägerin nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Gerichte hätten eine Fürsorgepflicht zur Sicherstellung ausreichender Verständigungsmöglichkeiten. Danach müssten hör- und sprachbehinderten Menschen erforderliche technische Hilfsmittel zur Verständigung angeboten werden. Das LSG müsse den Fall neu verhandeln, urteilte das BSG.
Die obersten Sozialrichter erinnerten zudem daran, dass Hörbehinderte auch nicht pauschal auf die Festpreise für Hörgeräte verwiesen werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des BSG „haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch auf diejenige Hörgeräteversorgung, die die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet“. Dies gelte auch dann, wenn eine solche Versorgung zum Festbetrag nicht gewährleistet ist.
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Schlagworte Hörgerät | Hörbehinderung | Gehörlose | Gericht | Kommunikation
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