18. Juli 2018
SOZIALE GERECHTIGKEIT

Sozialleistungen werden systematisch kleingerechnet

Sozialverband VdK: Mit den Regelsätzen ist kein Mindestmaß an Teilhabe möglich

Wie viel Geld braucht ein Mensch zum Leben? Um das zu beziffern, werden alle fünf Jahre höchst komplizierte Berechnungen angestellt. Am Ende steht dann eine Summe. Genau 416 Euro sind das zurzeit – der Regelsatz für erwachsene Hartz-IV-Empfänger und Menschen, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung bekommen. Das ist zu wenig, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, kritisiert der Sozialverband VdK.

Symbolfoto: Ein Antrag auf Arbeitslosengeld 2, darauf liegen drei 100-Euro-Scheine, ein Kugelschreiber und ein Taschenrechner, auf dessen Display
Aus Sicht des VdK werden die Regelsätze für Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld 2 ("Hartz IV") mit System kleingerechnet. Sie decken nicht den tatsächlichen Bedarf ab. | © imago/McPHOTO

Wer auf Grundsicherung angewiesen ist, sitzt meist dauerhaft in der Armutsfalle. „Es braucht grundlegende Reformen, damit aus dieser Sozialleistung ein existenzsicherndes Grundsicherungssystem wird, das den Betroffenen ein Leben in Würde ermöglicht“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Regelsätze: Bedarfe sind zu niedrig angesetzt

Viele Kosten sind zu niedrig angesetzt und decken nicht den tatsächlichen Bedarf der betroffenen Menschen. Deshalb fordert der Sozialverband VdK: Die Regelsätze müssen um mindestens 20 Prozent angehoben werden, damit sie das Existenzminimum abdecken. Auch größere notwendige Anschaffungen, wie zum Beispiel Waschmaschinen oder Brillen müssen wieder Einmalleistungen sein. Zudem sollten die Stromkosten in tatsächlicher Höhe übernommen und die Mietobergrenzen an den aktuellen Wohnungsmarkt angepasst werden.

Hartz-4-Berechnung anhand der Ärmsten

Die Rechnung geht also nicht auf. Und das liegt nicht nur daran, dass der tatsächlich errechnete Bedarf nicht mit der Lebenswirklichkeit der Betroffenen übereinstimmt. Auch die Ermittlung der Regelsätze selbst hinkt. Alle fünf Jahre gibt es eine Umfrage, die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Dabei werden die Einnahmen und Ausgaben von rund 60.000 Haushalten der einkommensschwächsten 20 Prozent untersucht, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das ist die sogenannte Referenzgruppe. Ihre Ausgaben sind die Grundlage für die Regelsätze. Schon 2011 wurde die Referenzgruppe verkleinert, bei Erwachsenen auf die ärmsten 15 Prozent. Und die geben im Schnitt natürlich weniger aus. Die Folge: Der Hartz-IV-Satz sinkt dadurch um 20 Euro.

Nicht nur Überleben, sondern soziale Teilhabe

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber einige Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte herausgekürzt, da er sie nicht für relevant für die Existenzsicherung erachtet. Dazu gehören zum Beispiel Ausgaben für Zimmerpflanzen, Gartenarbeit, chemische Reinigung, Alkohol, Tabak und Gaststättenbesuche. „Die Grundsicherungshöhe soll aber nicht nur das physische Überleben garantieren, sondern auch die soziale Teilhabe absichern“, so die VdK-Präsidentin. Zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehören auch gelegentliche Treffen mit Freunden oder Familie in Gaststätten oder zum Beispiel das Aufstellen eines Weihnachtsbaumes.

Der Staat spart auf Kosten der Ärmsten

Durch das systematische Kleinrechnen der Regelsätze spart der Staat auf Kosten der Ärmsten etwa zehn Milliarden Euro im Jahr. Doch nicht nur bei ihnen. Dass man den Regelsatz für Hartz IV und Grundsicherung so klein rechnet, trifft alle Einkommensteuerzahler. Denn jeder hat einen Freibetrag, auf den er keine Steuern zahlen muss. Er liegt derzeit bei 9000 Euro im Jahr und errechnet sich überwiegend aus dem Regelsatz für Grundsicherung. Je höher dieser ist, desto höher fällt auch der Freibetrag aus. Auf fast 11.000 Euro würde er ansteigen, wenn man den Grundsicherungssatz auf das eigentliche Niveau anheben würde.

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ikl

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