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Professor Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke erforscht das Glück und hat der VdK-Zeitung verraten, was glücklich macht und warum Ältere oft zufriedener sind als jüngere Menschen.
Die kurze Antwort ist: Ja. Dazu muss ich aber ein bisschen ausholen. Wir unterscheiden in der Forschung zwischen dem momentanen Glück, dem Hochmoment des Glücks, den man kennt, wo einem das Herz aus der Brust springt. Und auf der anderen Seite steht der eher bleibende Zustand einer inneren Zufriedenheit. Ich würde auf beides mit Ja antworten. Aber es ist immer ein Prozess. Es ist nicht so, dass man Glück hat oder nicht. Gerade die Glücksmomente rinnen einem durch die Finger. Die Zufriedenheit hingegen wächst über die Lebenszeit. Ja, ich bin glücklich und auch zufrieden, aber ich weiß, dass das Glück vergänglich ist und die Zufriedenheit sich über Jahrzehnte entwickelt.
Eine U-Kurve entsteht, wenn wir Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben fragen, wie glücklich sie gerade sind oder wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Statistisch gesehen gibt es eine Phase des großen Glücks in der Jugend. Jüngere Menschen sortieren sich bei Befragungen nach ihrem Glück auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 10 für sehr glücklich steht, häufig zwischen 7 oder 8 ein. In den Jahren darauf sinken die Werte, so ab dem 25., 30. Lebensjahr. Das Tal wird bei einem Alter um Mitte 40 erreicht.
Dann kommen die Krisen: Krankheit, Scheidung, berufliche Probleme, die Kinder gehen aus dem Haus. Wer dieses Tal hinter sich gelassen hat, kann zu einer tieferen Lebenszufriedenheit kommen. Prioritäten verschieben sich. Es folgt ein Anstieg der Glückskurve. Bei Männern ist das U ausgeprägter, bei Frauen ist es eher ein ganz leichter Teller. Das alles ist statistisch so, muss jedoch nicht für jeden Einzelnen immer gelten.
Im Alter um Ende 50 ist das Glücksniveau der Jugend dann wieder erreicht. Der Wert steigt sogar darüber, mit einem ersten Gipfel um das 65. Lebensjahr. Hier steht die Zufriedenheit oder Glückseligkeit im Vordergrund, weniger das Glück. Es gibt einen weiteren Gipfel um das 75. Lebensjahr. Wenn man diesen Verlauf über die Lebenszeit der Menschen aufzeichnet, ergibt sich also eine solche U-Kurve. Das Spannende ist, dass wir sie mittlerweile in 140 Ländern bestätigt bekommen haben. Das Glück scheint also nicht so sehr davon abzuhängen, ob man in einem reichen oder armen Land lebt. Das Prinzip dieser U-Kurve scheint in uns Menschen angelegt zu sein.
Die Verbundenheit mit anderen Menschen ist das Wichtigste, sozusagen die Königsdisziplin des Glücks. Das Führen von guten Beziehungen zu Mitmenschen, dazu gehören vor allem Lebenspartnerschaften, aber auch die Familie, Nachbarn, Kolleginnen und Bekannte, hat großen Einfluss auf unser Glücksempfinden.
Für jemanden, der arm ist, gibt es einen Zusammenhang zwischen Geld und Glück. Dieser Zusammenhang ist aber schwach und nur feststellbar bei relativ geringem Einkommen. Schon bei rund 1500 Euro brutto nimmt er deutlich ab. Ab einem Bruttoeinkommen von 5000 Euro, was natürlich eine ganze Menge ist, ist praktisch keine Korrelation mehr feststellbar. Das bedeutet, dass Geld und Wohlstand kaum Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben, sobald Grundbedürfnisse gedeckt sind.
Bei der Gesundheit ist es nicht ganz so einfach. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Gesundheit sowie dadurch ermöglichter sozialer Teilhabe und Glück. Wir können das in unseren Forschungen auch erkennen. Aber mit zunehmendem Alter scheint der Einfluss der unversehrten Gesundheit auf das Glück zurückzugehen. Es ist ja statistisch so, dass die Krankheiten zunehmen, je älter wir werden. Man könnte deshalb denken, dass die Menschen mit zunehmendem Alter unglücklicher werden. Das ist aber ganz eindeutig nicht so – Stichwort U-Kurve des Glücks. Wir nennen dieses Phänomen das Zufriedenheitsparadox. Das Älterwerden ist einer der wichtigsten Treiber des Glücks. Glücksfaktoren bei Älteren sind etwa der Glaube oder auch, eine Aufgabe zu haben, die Fähigkeit, etwas gehen zu lassen oder etwas zu geben, ohne eine Gegenleistung zu bekommen. Das sind Dinge, die wir oft erst im Alter lernen.
Ja. Wenn jemand tiefes Unglück erlebt hat, kann er oder sie daraus herauswachsen. Wir nennen das auch posttraumatisches Wachstum. Durch ein Unglück können bei einem Teil der Menschen Wachstumsimpulse entstehen, die sie auf der U-Kurve des Glücks schneller beschleunigt in die Zufriedenheit bringen.
Wir untersuchen gerade genauer, warum das so ist und auf welche Menschen das zutrifft. Dabei haben wir festgestellt, dass Menschen, die nach einem Unfall etwa im Rollstuhl sitzen, sogar manchmal Dankbarkeit für das Ereignis, für den Unfall empfinden. Sie interpretieren das Ereignis als etwas, das ihnen Glück beschert hat. Wir hören immer wieder von ihnen, dass sie etwas gelernt hätten beziehungsweise Ängste ablegen konnten, dass sie sich allein schon wegen des Überlebens als Gewinner sähen. Sie erleben eine innere Freiheit, weniger mehr zu müssen – das Hamsterrad hat für sie offenbar angehalten.
Jörg Ciszewski
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