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Die Altersangabe im Pass entspricht oft nicht dem tatsächlichen körperlichen und geistigen Zustand eines Menschen. Senioren mit grauen Haaren und Falten im Gesicht können leistungsfähiger sein als junge Menschen im besten Alter. Wie man sein sogenanntes biologisches Alter verjüngen kann, erfuhr die VdK-Zeitung vom Sportwissenschaftler und Ernährungsexperten Michael Despeghel.
VdK: Herr Despeghel, was versteht man unter dem biologischen Alter?
Dr. Dr. Michael Despeghel: Das biologische Alter sagt aus, wie alt man wirklich ist, bezogen zum Beispiel auf Leistungsfähigkeit, Gesundheit, Kreativität oder darauf, wie ich mich im Alltag einbringe. Das kalendarische Alter, das in meinem Pass steht, muss nicht mit meiner Leistungsfähigkeit übereinstimmen. Ich kann daran nicht ablesen, wie ich mit meinem Körper umgegangen bin.
Um wirklich herauszufinden, wie alt man ist, müsste man den Menschen aufschneiden und sich die Gefäße anschauen. Im Alter verengen sich die Arterien, es kann beispielsweise zu einer Arteriosklerose kommen, die zu einer Verengung und Versteifung der Blutgefäße führt. Die meisten Todesfälle in Deutschland sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Es gibt 50-Jährige, deren Blutgefäße sind noch blitzsauber, und es gibt 50-Jährige, da sind die Arterien schon richtig verlegt. In welchem Stadium ich mich befinde, hängt zum einen von der Genetik ab, das macht circa 20 Prozent aus. Der Rest ist die Qualität des Lebensstils. Im Durchschnitt sind die Menschen in Deutschland sieben Jahre älter, als es in ihrem Pass steht. Studien haben ergeben, dass das biologische Alter etwa bei 40-Jährigen zwischen 28 und 61 liegen kann.
VdK: Es gibt viele Tests zur Bestimmung des biologischen Alters. Welche eignen sich besonders?
Dr. Dr. Michael Despeghel: Es gibt Tests, die viele medizinische Daten abfragen. Das ist dann natürlich hochindividuell. Aber das führt eigentlich zu weit. Ich habe für mein Buch „So senken Sie das biologische Alter“ mit der Justus-Liebig-Universität Gießen einen Test entwickelt, der gut durchführbar ist, aber keine hundertprozentige Garantie auf wissenschaftliche Genauigkeit erhebt. Im Wesentlichen geht es eher darum, anhand der Testergebnisse zu erkennen, dass es einige Dinge in meinem Leben gibt, die ich verändern sollte. Eigentlich ist jeder Test gut, der mich motiviert, meine Problemfelder anzugehen.
Bewegungsmangel lässt sich zum Beispiel mit einem Schrittzähler gut ausgleichen. Mittlerweile kann man mit fast jedem Smartphone die Schritte zählen. Wenn es mir gelingt, 2000 Schritte täglich zu machen, habe ich ein um elf Prozent geringeres kardiovaskuläres Risiko. Komme ich auf 6000 Schritte täglich, wenn ich über 65 Jahre bin, ist das gut. Wenn ich unter 60 bin, sollten es 10.000 sein. Wenn ich mich über Monate daran halte, kann ich mir in meiner biologischen Altersbewertung drei Jahre gutschreiben.
Ein weiterer Aspekt ist guter Schlaf, damit die Regeneration gelingt. Wenn der Körper keine ausreichenden Erholungsphasen bekommt, in denen er vom Kopf bis bis Fuß regenerieren kann, führt das zu einer veränderten Zellregeneration. Der Körper muss jede Nacht viele Milliarden Zellen erneuern. Bösartig entartete Zellen können besser von einem gesunden Immunsystem erkannt und zerstört werden. Auch Sexualität, körperliche Nähe und soziale Interaktion tragen zu körperlicher und geistiger Gesundheit entscheidend bei.
VdK: Wie wichtig ist die Ernährung?
Dr. Dr. Michael Despeghel: Sie ist zentral. Die Ernährung sollte mediterranen Charakter haben, ein gutes Öl, entweder Olivenöl oder Leinöl, und nach Möglichkeit sollten zwei Stücke Obst und 400 Gramm Gemüse an vier bis fünf Tagen in der Woche auf dem Speiseplan stehen. Darüber hinaus kann man in Maßen das naschen, was man für das innere Glücksgefühl braucht, zum Beispiel mal Chips oder Schokolade.
Wichtig sind auch Ballaststoffe. Sie helfen, Darmkrebs vorzubeugen. Die Mehrzahl der Menschen in Deutschland nimmt pro Tag nur drei bis fünf Gramm davon zu sich, wir brauchen aber 30 bis 40 Gramm. Das kann ich ausgleichen, indem ich Müsli esse, Obst, Gemüse oder Vollkornprodukte.
VdK: Laut einer aktuellen Studie haben die Menschen in Deutschland im Vergleich zu ihren westeuropäischen Nachbarn eine geringere Lebenserwartung. Was machen wir falsch?
Dr. Dr. Michael Despeghel: Ich habe mich auch gewundert, dass die Lebenserwartung bis zu drei Jahre niedriger ist als etwa in Spanien. Eigentlich ist Deutschland ein reiches Land und sollte ein Gesundheitssystem haben, das vieles abfangen kann. Aber es fehlt oft an guten Zugängen zu Vorsorgemaßnahmen. Bei der Umsetzung seiner Möglichkeiten hat Deutschland viel nachzuholen. Das fängt an in der Schule. Inhalte, die sich mit Gesundheit, Ernährung und Lebensführung befassen, gehören auf den Stundenplan.
Ein weiterer Aspekt ist die Kaufkraft. Wer gut verdient, kann sich ausgewogener und gesünder ernähren. Gute Öle, Früchte, Fisch, Nüsse sind teuer. Viele können sich das leider nicht leisten. Da sehe ich die Politik in der Pflicht.
VdK: Was raten Sie jenen, die ihr biologisches Alter zurückdrehen wollen?
Dr. Dr. Michael Despeghel: Man sollte nicht versuchen, gleich sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen. Wenn ich etwas dauerhaft verändern will, dann muss das Schritt für Schritt gehen. Denn Veränderungen sind für alle, aber gerade für ältere Menschen, die absolute Herausforderung. Es lohnt sich, zuerst etwas zu verändern, das einem leichter fällt.
Interview: Jörg Ciszewski
Schlagworte Alter | Ernährung | Bewegung | Gesundheit
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