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Langeweile kann kreative Prozesse beflügeln und die Seele stärken – Auf die innere Einstellung kommt es an
In den vergangenen Monaten schien das Leben wegen der Corona-Pandemie stillzustehen. Bei manchen Menschen kam Langeweile auf – ein Gefühl, das oft als unangenehm empfunden wird. Doch das Nichtstun hat nicht nur schlechte Seiten: Es hilft, wieder in Kontakt mit sich zu kommen, und es kann sogar kreativ machen.
Soziale Medien, Fernsehen und das Smartphone immer in der Tasche: Vor allem jüngere Generationen kennen Langeweile kaum, weil sie rund um die Uhr die Möglichkeit haben, sich abzulenken. Auch viele ältere Menschen haben sich an den Umgang mit den digitalen Medien gewöhnt. Die meisten von ihnen erinnern sich aber auch, wie es war, als Kind in den endlos langen Sommerferien am Fenster zu sitzen und zu warten, bis der Regen endlich vorbei ist, damit sie draußen spielen können. Oder auf dem Bahnsteig auf einen verspäteten Zug zu warten – ohne die Möglichkeit, eine Nachricht zu senden, jemanden anzurufen oder im Internet zu surfen. Langeweile ist selten geworden in der digitalisierten und globalisierten Welt.
Viele Menschen mögen Langeweile nicht. Erzwungenes Nichtstun oder Nichts-tun-Können macht sie unruhig, mitunter sogar aggressiv. Die Forscherinnen und Forscher kommen auf interessante Ergebnisse. Führend ist Dr. John Eastwood von der York University im kanadischen Toronto. Laut seiner Definition ist Langeweile „das unangenehme Gefühl, eine zufriedenstellende Aktivität ausführen zu wollen, aber nicht zu können“. Das heißt, die Menschen leiden dann unter Langeweile, wenn sie eine bestimmte Beschäftigung vermissen. Sie hätten zwar die Möglichkeit, etwas anderes zu machen, empfinden das aber nicht als wünschenswert.
Wie intensiv jemand Langeweile verspürt, hängt aber auch von der Persönlichkeit ab: So gibt es Menschen, die schnell einer Sache überdrüssig sind, und solche, die selbst in einer reizarmen Umgebung bei guter Laune bleiben. Erstere haben oft größere Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und die eigenen Gefühle zu verstehen, brauchen stärkere Reize, um aktiv zu werden, und leben häufig in den Tag hinein. Wer hingegen einen Plan hat und strukturiert ist, wirkt der Langeweile entgegen.
Bereits in der Antike galt die Muße als „Schwester der Freiheit“. Beim Umgang mit ihr kommt es auf die innere Haltung an: Wird die Langeweile zugelassen, kann sie durchaus Gutes bewirken. Denn in Zeiten, in denen von außen nichts oder nur wenig passiert, ist das menschliche Gehirn nicht untätig. Es hat Zeit, zur Ruhe zu kommen und sich neu zu sortieren. Beim Nichtstun werden, wie beim Tagträumen oder bei abschweifenden Gedanken, bestimmte Hirnregionen aktiv, die normalerweise beim Lösen von Aufgaben ausgeschaltet werden. In diesem Zustand können beispielsweise Dinge und Ereignisse besser bewertet und eingeordnet werden. Ruhepausen sind also wichtig, um seine eigene Identität zu entwickeln und zu stärken.
Und noch etwas geschieht beim Nichtstun: Durch die Langeweile kann das Gehirn erst so richtig kreativ tätig werden. Das zeigt auch eine Studie zweier Psychologen von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara: Mehrere Teilnehmergruppen sollten eine kreative Aufgabe lösen. Die Gruppe, die zuvor eine langweilige Aufgabe bekommen hatte, war im anschließenden Test um 40 Prozent kreativer als die Vergleichsgruppe, die im Vorfeld keine Aufgabe bekommen hatte.
Der Umgang mit Langeweile kann erlernt werden. Er bietet die Möglichkeit, mit sich (wieder) in Kontakt zu kommen. Wichtig ist, sich auf das Gefühl einzulassen. Statt Ablenkung zu suchen, sollte man sich fragen: Wie geht es mir? Wie fühle ich mich? Was macht mein Körper? Was beschäftigt mich? Hält man das eine Weile aus, ist es gut möglich, dass neue Ideen auftauchen: Vielleicht fällt einem die Lösung eines Problems ein, das einen schon lang beschäftigt. Oder man hat Lust, kreativ zu werden, beispielsweise ein Bild zu malen.
Annette Liebmann
Schlagworte Langeweile | Corona-Krise
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