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Verhütungsmittel veränderte Gesellschaft und Rolle der Geschlechter
Im August 1960 kam in den USA die erste Antibabypille auf den Markt. Ein Jahr später, am 1. Juni 1961, wurde sie auch in Deutschland verkauft, zuerst ausschließlich an verheiratete Frauen. Das war damals eine große gesellschaftliche Veränderung der jahrhundertelang geprägten, starren Geschlechterrollen: Damit hatten Frauen die Möglichkeit, Sex und Fortpflanzung voneinander zu trennen.
Die Antibabypille war in allen Ländern heftig umstritten und kollidierte mit den damaligen Moralvorstellungen. Wie schon die Vorläufer in den USA führten die deutschen Hersteller sie als „Mittel zur Behebung von Menstruationsstörungen“ ein. Die angestrebte empfängnisverhütende Wirkung wurde nur ganz beiläufig mit dem Satz „Während der künstlichen anovulatorischen Zyklen tritt keine Konzeption ein“ erwähnt.
Als die Vereinten Nationen 1968 das Recht auf Familienplanung zum Menschenrecht erklärten und mehr Studienergebnisse zur Pille vorlagen, lockerten auch immer mehr Ärzte ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Präparat. In den 1970er-Jahren verhüteten schon 30 Prozent der Frauen mit der Pille. Seitdem nutzten immer mehr Frauen in Deutschland die Pille zur Empfängnisverhütung und konnten so ungewollte Schwangerschaften verhindern. Die gesellschaftlichen Auswirkungen waren ab der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre spürbar: Die Geburtenzahlen sanken. Man sprach vom sogenannten „Pillenknick“.
Die erste Generation der Antibabypille enthielt hohe Hormon-Dosen. Damals steckten in einer einzigen Antibabypille teilweise so viele Hormone wie heute in einer ganzen Monatspackung. Entsprechend stärker waren die Nebenwirkungen. Dabei zählten Übelkeit und Gewichtszunahme zu den eher harmlosen. Bald hörte man aus den USA Berichte über gefährliche Blutgerinnsel. Hinzu kam die Angst vor Krebs. Heutzutage haben niedriger dosierte Pillen (Mikropille) die gleiche Sicherheit und weisen geringere Nebenwirkungen auf.
Dennoch entscheiden sich mittlerweile immer mehr Frauen gegen die Pille. Nach Angaben des AOK Bundesverbands nahmen 2019 nur noch 31 Prozent der gesetzlich versicherten Frauen und Mädchen die Pille – zehn Jahre vorher waren es noch 46 Prozent. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2019 sind Pille und Kondom in Deutschland etwa gleich beliebt. Dabei gebe es aber einen „Verhaltenswandel“. Im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2011 nahm die Kondomnutzung zu, während die Pille an Zuspruch verlor – vor allem bei Frauen zwischen 18 und 29. Fast jede zweite Befragte war der Meinung, dass Verhütung mit Hormonen „negative Auswirkungen auf Körper und Seele“ habe.
Seit Ende März vergangenen Jahres sind die Präparate zur Empfängnisverhütung für Frauen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr erstattungsfähig. Die Pille muss, wie andere hormonelle Verhütungsmethoden, von einem Arzt verschrieben werden. Mädchen unter 14 Jahren brauchen zudem eine Zustimmung der Eltern, wenn sie sich die Pille verschreiben lassen wollen.
Ines Klut
Schlagworte Pille | Mikropille | Antibabypille
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