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Viele junge Menschen wagen mit einem freiwilligen ökologischen Jahr (FÖJ) einen ersten Schritt in die Selbstständigkeit. So auch der 21-jährige Marcel Bouchareb. Ihn zog es aus Süddeutschland über 600 Kilometer entfernt nach Lüneburg auf einen Bauernhof.
Als Erstes macht sich Marcel Bouchareb morgens auf den Weg zum Hühnerstall, wo er die Tiere mit Wasser und Körnern versorgt. Die Eier sammelt er ein. Danach füttert er die Schweine. Als Nächstes geht er in die Gärtnerei, um Sellerie auszusäen.
Seit September 2022 absolviert der junge Heidenheimer ein FÖJ auf dem „Hof an den Teichen“ in Lüneburg. Er ist mit einer Autismus-Spektrum-Störung einer der ersten jungen Menschen mit einer Behinderung, der ein solches Jahr in Niedersachsen macht.
„Das FÖJ ist eine große Chance, sich zu orientieren, Neues kennenzulernen und sich auszuprobieren“, sagt Rebecca Kleinheitz vom Netzwerk alma (Arbeitsfeld Landwirtschaft mit allen). Die Möglichkeit gäbe es aber kaum für Menschen mit Behinderung, weil die Bedingungen nicht passten.
Deshalb hat das Netzwerk alma in Kooperation mit der Alfred-Toepfer-Akademie für Naturschutz das Modellprojekt „FÖJ für alle!“ auf den Weg gebracht. Seit September absolvieren neun Interessierte mit Behinderung hier ein FÖJ.
„Wir haben da bisher wenig Erfahrungen. Zu oft wird für Menschen mit Behinderung nur an eine Werkstatt gedacht“, sagt Sebastian Bleck, Projektleiter bei der Toepfer-Akademie. Mit dem Modellprojekt soll für sie ein FÖJ selbstverständlicher werden.
Für Marcel Bouchareb und seine Familie kam eine Werkstatt nie infrage. Er kann lesen und schreiben, nicht rechnen. Zudem kann er sich gut orientieren und hat ein fotografisches Gedächtnis.
Mit der Entscheidung für ein FÖJ begann ein langer Weg: VdK-Mitglied Marcel Bouchareb brauchte eine Einsatzstelle, Kost und Logis, eine Assistenz, die seinem Unterstützungsbedarf entspricht. Seine Mutter, Meike Goldhammer, telefonierte immer wieder mit dem Netzwerk alma und der Toepfer-Akademie, pendelte zwischen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), dem Landratsamt und der Diakonie hin und her. So fanden sie den Hof in Lüneburg und eine Wohngemeinschaft. Auch das Persönliche Budget konnten sie durchsetzen und darüber eine Assistenz anstellen. Mit ihr wurde das FÖJ erst möglich. Es war ein „Weg voller Stolpersteine“, sagt seine Mutter heute.
Auf dem Hof werden die Beete für die Aussaat vorbereitet. Marcel Bouchareb muss Unkraut jäten, was er nicht so gerne macht, und Mist ausbringen. Seine Assistentin Maxi begleitet ihn. Die Zeiten, in denen er sie braucht, werden immer kürzer. Er kennt sich inzwischen gut aus und ist am liebsten ohne sie unterwegs. „Er lebt total auf in seiner Selbstständigkeit“, findet auch seine Mutter.
„Marcel ist so viel offener geworden“, freut sich Sandra Dragendorf, die sich auf dem Hof um das Büro kümmert. Es fällt ihm dadurch leichter, Kinder zur Bauernhof-AG oder bei Hofführungen zu begleiten. Er beantwortet Fragen, und sie erfahren, dass hier vier Tierrassen gehalten werden, die vom Aussterben bedroht sind.
Im FÖJ können junge Menschen ein eigenes Projekt umsetzen. Der 21-Jährige hat für die Leute auf dem Hof einen Schuhputzer aus drei Besenköpfen gebaut. Alle, die in den Pausenraum gehen, nutzen ihn rege, und der Schmutz bleibt draußen. Auch an den Seminaren nimmt er teil. Das sei gut, weil dadurch alle Teilnehmenden mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zusammenkämen, sagt Kleinheitz. Und Bleck ergänzt: „Marcel leistet hier echte Pionierarbeit.“
Der 21-Jährige denkt indes über eine Ausbildung beim Träger „Neue Arbeit“ in Lüneburg nach. Er sei bereit, sagt er. „Ich würde gerne weiter durchs Lebens gehen – ganz selbstständig.“
Kristin Enge
Schlagworte freiwilliges ökologisches Jahr | FÖJ | Autismus | Autismus-Spektrum | Engagement
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