28. November 2016
BEHINDERUNG

Behinderung muss im Bewerbungsschreiben nicht angegeben werden

Menschen mit Behinderung haben es oft schwer, eine Arbeitsstelle zu finden. Denn es grassieren immer noch viele Vorurteile und Bedenken in den Köpfen der Arbeitgeber. Doch wie sollte man eigentlich mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung im Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgespräch umgehen?

Symbolfoto: Fassage der Agentur für Arbeit, davor ein Schild, das einen Behindertenparkplatz ausweist
Menschen mit Behinderung haben es schwerer als andere, einen Arbeitsplatz zu finden. | © imago/Steinach

Muss ich meine Behinderung bereits im Bewerbungsschreiben erwähnen?

Grundsätzlich ist man nicht verpflichtet, seine im Bewerbungsschreiben offenzulegen. Eine Pauschallösung gibt es hier jedoch nicht. Das hängt stark von der Stelle und von der Art der Behinderung ab. Ist Letztere nicht zu übersehen und werden eventuell besondere Anforderungen an den Arbeitsplatz gestellt, sollte sie nicht verschwiegen werden. Ist man beispielsweise auf den Rollstuhl angewiesen und wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen, dann sollte das der Arbeitgeber auch vorab wissen.

Wann sollte man offen mit seiner Behinderung umgehen?

Wer sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst bewirbt und zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden will, sollte die Tatsache, dass er schwerbehindert ist, durchaus schon im Bewerbungsschreiben angeben. Denn schwerbehinderte Stellenbewerber haben bei öffentlichen Arbeitgebern einen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch, wenn sie die geforderten Qualifikationen erfüllen. Den schriftlichen Bewerbungsunterlagen ist eine Kopie des Schwerbehindertenausweises beizufügen.

Welche Konsequenzen kann es haben, wenn ein Bewerber nicht offen mit seiner Behinderung umgeht?

Der Arbeitgeber kann sich überrumpelt fühlen. Viele Unternehmen sind überfordert, wenn sie ohne Vorwarnung mit einer sichtbaren Behinderung konfrontiert werden. Zusätzlich kann sich der Personalverantwortliche fragen, wieso der Bewerber die Behinderung verschwiegen hat und was er sonst noch verschweigt.

Darf der Arbeitgeber während des Vorstellungsgesprächs nach einer Behinderung fragen?

Die Frage gilt als ebenso unzulässig, wie zum Beispiel sich nach einer Schwangerschaft zu erkundigen. Fragen wie diese können bei einer anschließenden Ablehnung des Bewerbers als Hinweis für eine Diskriminierung ausgelegt werden. Dennoch wird manchmal nach einer Behinderung gefragt. In der Praxis hilft es dann nicht, den Arbeitgeber auf die Unzulässigkeit hinzuweisen. Insofern ist es ratsam, sich im Vorstellungsgespräch auf eine solche Frage einzustellen.

Muss ein Arbeitgeber in einem bestehenden Arbeitsverhältnis über die Behinderung informiert werden?

Nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung, ist die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Dazu gibt es auch einige Gerichtsurteile.

Wie sollte im Vorstellungsgespräch auf die Behinderung eingegangen werden?

Grundsätzlich sollten die Stärken und Qualifikationen im Vordergrund stehen. Der Bewerber muss sich darauf konzentrieren, was er dem Unternehmen als Mitarbeiter bieten kann. Die Entscheider sollen den Eindruck haben: Da bewirbt sich jemand in erster Linie als Fachfrau oder Fachmann, und die Behinderung hat keinerlei Einfluss auf Können und Motivation.

Warum gibt es unter Arbeitgebern so viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung?

Viele gehen automatisch davon aus, dass ein Mensch mit Behinderung weniger leistungsfähig ist als ein nicht behinderter Mitarbeiter. Außerdem ist bei schwerbehinderten Arbeitnehmern arbeitsrechtlich einiges zu beachten: Sie haben ein Recht auf eine Woche Zusatzurlaub, einen verbesserten Kündigungsschutz und eine behindertengerechte Ausstattung ihres Arbeitsplatzes. Diese für einen Arbeitgeber negativen Aspekte sollten bei einer Bewerbung ausgeglichen und ins Positive gewandelt werden. So können Menschen mit Behinderung zum Beispiel mit Durchhaltevermögen und Organisationsfähigkeit punkten.

Woran merken Arbeitgeber sehr schnell, dass sie die richtige Wahl getroffen haben, wenn sie sich für einen Bewerber mit Behinderung entscheiden?

Aus seiner Beratungspraxis kennt der Sozialverband VdK viele solcher Beispiele. Menschen mit einer Behinderung haben entgegen dem Klischee oft weniger Fehlzeiten als ihre nicht behinderten Kollegen, sind gleich qualifiziert und leistungsstark. Davon können auch die Schwerbehindertenvertretungen in vielen Unternehmen berichten. Der Sozialverband VdK schult diese betrieblichen Interessensvertretungen. Der VdK wird auch weiterhin Druck machen, damit die Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen weiterentwickelt werden. Denn nur so wird die Integration von Menschen mit Behinderung zielgerecht gefördert.

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