27. März 2017
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Familienleben früher und heute: Mutter, Tochter und Enkelin erzählen

Der ganz normale Wahnsinn

Das Leben mit Kindern ist heute eine Wissenschaft für sich: Eine Flut von Angeboten überschwemmt die Eltern, gesellschaftliche Ideale setzen sie unter Druck. War früher alles besser? Drei Mütter, drei Generationen, drei Geschichten.

Symbolfoto: Eine aus drei Generationen bestehende Familie steht Arm in Arm mit dem Rücken zur Kamera, die Mutter dreht sich lachend zur Kamera um.
Familienleben mit mehreren Generationen (Symbolfoto) - gar nicht so einfach, heute alles unter einen Hut zu kriegen! | © imago/Westend61

Zwischen Job, Kindergarten, Schule, Fußball, Musik und Reiten bleibt irgendwann Zeit zum Kochen, Waschen, Putzen und Aufräumen, wenig zum Durchschnaufen. Der ganz normale Wahnsinn berufstätiger Eltern. Eltern wie Simone Wunschel und Jan Fröscher. Mit Lilli, sieben, und Anton, vier, leben sie in München. In einer Altbauwohnung mit vier Zimmern, Küche, Bad. „Wir sind sehr zufrieden mit unserer Wohnsituation“, sagt Simone Wunschel. „Klar wäre ein Haus mit Garten, in dem die Kinder laut sein dürfen, traumhaft. Aber das ist in München nicht bezahlbar.“

Diese Erfahrung haben viele Jahre zuvor auch ihre Eltern gemacht. „Wir haben gern in München gelebt“, erzählt ihre Mutter Gaby Wunschel. „Mit drei Kindern war das machbar, mit vieren nicht.“ Weil sie Sprachen studiert und viel über das kinderfreundliche Spanien gehört hatte, wäre sie mit ihrer Familie gerne dorthin ausgewandert. Ihr Mann wollte lieber sein Elternhaus im fränkischen Fürth übernehmen. „Das krasse Gegenteil“, sagt die 72-Jährige und lacht.

Sie hat das Beste daraus gemacht: für sich und für die Kinder – nicht nur für ihre eigenen. „Bei uns war die Nachbarschaft im Garten versammelt“, erzählt sie. Wozu also die Zwillingsmädchen und den Jüngsten in den Kindergarten schicken? „In die Vorschule schon, aber vorher machte das für mich keinen Sinn. Ich war ja da.“ Aus Konventionen hat sich Gaby Wunschel ohnehin nie viel gemacht. „Ich habe mich an dem Zirkus, den andere Eltern veranstaltet haben, nie beteiligt. Statt Erziehungstipps auszutauschen, hab ich lieber einen Stuhl geschnitzt.“ Die Künstlerin hat auf ihr Bauchgefühl gehört, was die Kindererziehung anging. „Zu meiner Zeit ging das ganz gut. Ich konnte ja auch daheim bleiben, mein Mann hat das Geld für die Familie verdient.“ Die Eltern von heute beneidet sie nicht. „Die Erwartungen an sie, vor allem an die Mütter, sind enorm.“

Heute sind alle im Stress

Ingeborg Bark, 95, Mutter von Gaby und Oma von Simone Wunschel, sieht das ähnlich. „Diese Hetze wäre nichts für mich. Die jungen Leute sind alle im Stress – obwohl es für alles eine Maschine gibt.“ Als die Wäsche von Hand gewaschen und die Kleidung selbst genäht wurde, hat sie Sohn und Tochter in Hohenfurch, einem kleinen Ort im Allgäu, großgezogen. 23 Jahre alt war sie, als ihr Mann im Krieg fiel.
Sie musste ihr Leben und das ihrer Kinder selbst in die Hand nehmen, holte sich Unterstützung vom neu gegründeten VdK und von der Schwiegermutter. Tagsüber verzierte sie Kerzen, nachts strickte sie. Eine klassische Rollenverteilung hat das VdK-Mitglied nie erlebt. Trotzdem habe sie das Gefühl, dass es mit den Kindern einfacher war, als es heute ist. „Die Kinder mussten folgen. Es gab keine Diskussionen oder Alternativen.“

Heute gibt es für alles Alternativen. Für den Erziehungsstil, die Freizeitgestaltung, die Schule. „Die Kunst ist, im Dschungel von Angeboten den richtigen Weg für die eigene Familie zu finden“, sagt Simone Wunschel. Das sei nicht immer leicht. Inzwischen weiß die 44-Jährige: „Weniger ist mehr.“ Deshalb hat sie sich dafür entschieden, drei statt fünf Tage in der Woche zu arbeiten – „ein Glück, dass das möglich ist“. Denn die Hetze ist trotzdem immer noch groß. 

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Schlagworte Familie | Familienleben | Generationen | Erziehung

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