
VdK erstreitet Merkzeichen aG für ein Kind mit Autismus
Der VdK-Landesverband Berlin-Brandenburg hat vor dem Sozialgericht erreicht, dass ein Mädchen wegen einer psychischen Störung das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) erhält.

Grad der Behinderung von 80
Jasmin (Name ist der Redaktion bekannt) kam vor 14 Jahren mit einer schweren geistigen Beeinträchtigung zur Welt. Bei ihr wurde ein Externer Link:Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Aufgrund einer autistischen Störung handelt sie für Mitmenschen oft unberechenbar, ist ängstlich und kann sich kaum artikulieren. Ist Jasmin überfordert, bewegt sie sich sehr schnell und ohne Orientierung oder wirft sich auf den Boden.
Den Eltern fällt es mit zunehmendem Alter ihrer Tochter schwerer, sie im Straßenverkehr zu kontrollieren. Durch ihr Verhalten wird sie für sich und andere zu einer Gefahr, zum Beispiel wenn sie sich von der Hand des Vaters losreißt und plötzlich auf die Straße läuft. Wegen dieser unkalkulierbaren Handlungen kann sie keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.
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Amt lehnt Antrag auf Merkzeichen ab
Die Familie hat daher seit dem Jahr 2019 bereits zweimal den Vermerk aG für „außergewöhnliche Gehbehinderung“
beim Landesamt für Gesundheit und Soziales beantragt, weil Jasmin nur mit dem Auto sicher transportiert werden kann. Dieses Merkzeichen berechtigt zum Beispiel zur Nutzung von Externer Link:Behindertenparkplätzen.
Doch das Amt lehnte die Anträge sowie zwei Widersprüche ab. Der Grund: Für die Vergabe des Externer Link:Merkzeichens müsse das Gehvermögen grundsätzlich gestört sein, etwa durch orthopädische Leiden. Auch die Stellungnahme der behandelnden Ärztin, wonach das Mädchen wegen der schweren Form von frühkindlichem Autismus in ihren Bewegungen eingeschränkt sei, änderten nichts an der Ablehnung.
Daraufhin wandten sich die Eltern an den Externer Link:VdK Berlin-Brandenburg, der vor dem Sozialgericht Klage einreichte. Die Leiterin der Sozialrechtsabteilung Julia Flint-Ayadi legte dem Gericht ausführlich dar, dass Jasmin wegen des stark ausgeprägten Autismus und dadurch eingeschränkter Gehfähigkeit das Merkzeichen aG zusteht. Sie sei rechtlich mit Personen gleichzustellen, die dauerhaft wegen einer Gehbehinderung auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Ein fachärztliches Gutachten zu Jasmins Beeinträchtigungen und die Aussagen des Vaters wirkten sich positiv auf die Klage aus.
Gericht erkennt den Anspruch schließlich an
Einfluss hatte zudem, dass dem Mädchen im Laufe des Verfahrens ein Rollstuhl verordnet und so ihre eingeschränkte Mobilität dokumentiert wurde. Zudem hatte ihre Förderschule Jasmin von Schulausflügen ausgeschlossen, weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann.
Das Gericht erkannte schließlich an, dass das Mädchen Anspruch auf das Merkzeichen aG hat. Jasmins Vater ist dem VdK für die Unterstützung dankbar. Für ihn hat sich mit dem Urteil „ein Wunsch erfüllt“
. Früher hat er mit seiner Tochter einige Male Arzttermine versäumt, weil Jasmin sich auf dem Weg dorthin geweigert hat, weiterzugehen. „Jetzt können wir mit dem Auto fahren und vor der Praxis parken, das ist viel sicherer.“
Vom Gesetzgeber wünscht er sich, dass Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung beim Anspruch auf das Merkzeichen aG rechtlich bessergestellt werden. „Wir mussten jahrelang darauf warten. Das ist nicht gerecht.“
Aktenzeichen: S 178 SB 1263/20