
Kommentar: Sozialfasten ist ungesund
Immer wieder stand der Sozialstaat in diesem Wahlkampf unter Beschuss. Manche Parteien lieferten sich einen gnadenlosen Überbietungswettbewerb in ihren Vorschlägen zur Streichung oder Kürzung von Sozialleistungen.

Doch diese Leistungen, die in vielen Politikerreden nur noch als lästige Ausgaben geführt wurden, finanzieren vielen Menschen eine Rente, von der sie leben können, oder das Wohnen – sie sichern ihre Existenz.
Es steht zu befürchten, dass dem Eifer des Wahlkampfs Taten folgen sollen. Zum Ende des Karnevals könnte auf die Bürgerinnen und Bürger jetzt das Sozialfasten zukommen.
Passt ja gut zum Trend. Wer im „Dry January“ den Verzicht auf Alkohol versäumt hat, will vielleicht ab Aschermittwoch für sechs Wochen in die Fastenzeit einsteigen. Manche schränken den Medienkonsum ein und hoffen, dem Sog der ständigen Erreichbarkeit und der schlechten Nachrichten zu entkommen. Der Klassiker ist aber der Verzicht auf bestimmte Lebens- oder Genussmittel. Mit dem Streichen von Fleisch, Chips, Wein und Süßigkeiten vom Speiseplan nimmt man vielleicht zwei Kilos ab und fühlt sich in der liebsten Hose wieder wohler. Nach spätestens sechs Wochen kehren die meisten aber zu ihren Gewohnheiten zurück. Dann füllen sich die Speicher im Körper wieder.
Anders sieht es beim staatlich verordneten Sozialfasten aus. Hier ist das Problem, dass die Substanz nicht zurückkommt, wenn sie einmal weg ist. Ein einmal hochgesetztes Rentenalter oder Kürzungen im Bürgergeld, die auch die treffen, die Grundsicherung im Alter beziehen, werden nicht einfach wiederkommen wie die Pfunde nach der Fastenkur.
Der oft hippe Trend, auf etwas zu verzichten, ist für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, bestimmt zynisch. Denn viele von ihnen fasten unfreiwillig und dauerhaft, weil sie sich viele Lebensmittel schlicht nicht leisten können. Weit vor Monatsende ist bei vielen der Kühlschrank leer.
Fortgesetzte Hungerkuren sind ungesund, das gilt auch für das Aushöhlen des Sozialstaats. Deswegen kämpft der VdK weiterhin für ein starkes soziales Netz.