Diagnose Ärztemangel
Wer hat nicht schon Wochen auf einen Arzttermin gewartet? Erklären lässt sich dieser gefühlte Ärztemangel nicht damit, dass es zu wenig Ärztinnen und Ärzte gibt. Die Ursachen sind komplexer, die Gesundheitsversorgung hat sich gravierend verändert.
Ärzte regional nicht gut verteilt
Die Versorgungsdichte liegt mit 198 Patientinnen und Patienten je Arzt so hoch wie nie zuvor in Deutschland. Das hat Externer Link:Antonius Schneider vom Institut für Allgemeinmedizin an der TU München errechnet. Allerdings sind die Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten ärztlichen Versorgung regional nicht gut verteilt. Während statistisch gesehen in Hamburg eine Ärztin im Jahr 2022 rund 127 Einwohner versorgte, kam laut Bundesministerium für Gesundheit in Brandenburg ein Arzt auf rund 249 Personen.
Insbesondere in ländlichen Regionen ist die ärztliche Versorgung oft schlechter als in wohlhabenden Stadtvierteln. Zudem haben Ärztinnen und Ärzte in der Provinz oft Schwierigkeiten, eine Nachfolge zu finden. Das ist gerade in der hausärztlichen Versorgung ein Problem, denn der Anteil der über 60-Jährigen ist dort mit 36,5 Prozent besonders hoch.
Das Land lockt mit Förderprogrammen
Bundesländer, Kommunen und die Kassenärztlichen Vereinigungen haben deshalb Förderprogramme aufgelegt, um junge Medizinerinnen und Mediziner nach dem Studium aufs Land zu locken. Mit Stipendien, Investitionskostenzuschüssen bei der Übernahme einer Praxis oder Gehaltszuschüssen soll dem Ärztemangel begegnet werden. Die Erfolge dieser Initiativen lassen sich noch nicht abschließend bewerten.
Die Ärztelandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Laut Bundesärztekammer gibt es einen Rückgang bei den niedergelassenen Medizinerinnen und Medizinern zu verzeichnen. Deren Anzahl hat sich seit dem Jahr 2018 um gut acht Prozent verringert. Demgegenüber stand 2023 ein starker Anstieg an angestellten Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich (+ 8,1 zum Vorjahr; + 51 Prozent seit 2018).
Inzwischen ist rund ein Drittel von ihnen als Angestellte oder Angestellter in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren tätig. Immer mehr arbeiten in Teilzeit. Im Jahr 2023 entschieden sich nach Zahlen des Bundesarztregisters erstmals mehr als 50.000 Ärztinnen und Ärzte für eine Anstellung und erstmals mehr als 60.000 für eine Teilzeitbeschäftigung. Das Klischee des Arztes, der 50 bis 60 Stunden die Woche arbeitet, gehört langsam der Vergangenheit an.
Ein weiterer Grund, warum trotz hoher Versorgungsdichte die Zeit mit den Patientinnen und Patienten nicht ausreicht, ist nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die zunehmende Verwaltungsarbeit. Statistisch gesehen müsse jede Praxis pro Jahr rund 60 Tage für Bürokratie aufwenden.
Mehr Zeit für Patienten statt für Bürokratie
Der Arzt und Medizin-Journalist Dr. Christoph Specht hält es für dringend geboten, dass die zur Verfügung stehende Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzte stärker für die Behandlung von Patienten genutzt wird, als es aktuell oft der Fall ist. „Für die Bürokratie muss es andere Lösungen geben“
, sagt er. Ärztinnen und Ärzte müssten aber auch Kompetenzen abgeben, um mehr Zeit für strikt ärztliche Tätigkeiten zu haben, so Specht. Er schlägt etwa vor, Landärztinnen und Landärzte durch Krankenpflegerinnen und -pfleger zu entlasten, die mit einer speziellen Zusatzausbildung zeitintensive Hausbesuche übernehmen könnten.
Politik und Verbände haben das Problem erkannt und diskutieren unterschiedliche Lösungen wie die Aufstockung von Medizin-Studienplätzen. VdK-Präsidentin Verena Bentele ist es wichtig, dass die ärztliche Versorgung wohnortnah sichergestellt ist. „Ärztinnen und Ärzte müssen mehr Zeit für Patientinnen und Patienten haben und weniger am Schreibtisch sitzen. Der Sozialverband VdK ist dafür, die Budgetierung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung abzuschaffen, weil sie unnütze Bürokratie verursacht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Behandlungen umständlich begründet werden müssen, obwohl sie medizinisch notwendig sind, aber das Budget der Praxis überschritten ist.“
In diesem Zusammenhang betont der VdK, dass er Externer Link:investorengetragene Medizinische Versorgungszentren, die in erster Linie der Gewinnabschöpfung dienen, ganz klar ablehnt.