Besser versorgen, besser sehen
Viele Menschen in Deutschland leiden an Augenerkrankungen, die unbehandelt eine Erblindung nach sich ziehen können. Deshalb ist es wichtig, dass für Betroffene eine gute augenärztliche Versorgung gewährleistet ist. In Pflege- und Seniorenheimen ist dies offenbar jedoch nicht immer der Fall.
Bei älteren Menschen gehen übersehene Teppichkanten oder Stufen oft mit Stürzen und Knochenbrüchen einher, die nicht selten zu Pflegebedürftigkeit oder sogar zu vorzeitigem Tod führen. “In Deutschland ist eine augenärztliche Versorgung zwar auf höchstem Niveau flächendeckend verfügbar”
, sagt Prof. Dr. Frank G. Holz, Vorsitzender der Stiftung Auge und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, “doch oft nicht für Menschen in Pflege- und Seniorenheimen.”
Laut einer Studie der Stiftung Auge liegt der letzte Besuch von Bewohnerinnen und Bewohnern solcher Einrichtungen beim Augenarzt im Schnitt vier Jahre zurück. In der Hälfte der Fälle ist fehlende Mobilität der Grund dafür. Bei rund 50 Prozent der Studienteilnehmenden wurde ein Grauer Star (Katarakt) diagnostiziert. Bei knapp 40 Prozent wurden Zeichen einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) festgestellt, und bei etwa 21 Prozent bestand der Verdacht oder die gesicherte Diagnose eines Grünen Stars (Glaukom). In vielen Fällen würde eine passende Brille gutes Sehen und Lesen und dadurch wieder die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. “Diese Defizite sind in einem hoch entwickelten Gesundheitssystem – wie in Deutschland vorhanden – nicht hinnehmbar”
, findet Holz. In einer weiteren Studie hat die Stiftung Auge daher nun eine mögliche Maßnahme mithilfe von knapp 140 Seniorinnen und Senioren in drei Einrichtungen im Raum Bonn getestet – mit dem Ziel, ein neues, innovatives Versorgungsmodell zu entwickeln. Zunächst untersuchten medizinische Fachangestellte und Optometristen die Teilnehmenden vor Ort, anschließend stellten Augenärztinnen und -ärzte der Uniklinik Bonn telemedizinisch aus der Ferne einen Befund.
Praktikabel und effizient
Diese Herangehensweise erwies sich als praktikabel, effizient und einfach durchführbar. Insbesondere Heimbewohnerinnen und -bewohner mit eingeschränkter Mobilität profitieren davon. Um den Ansatz als neue Versorgungsform zu etablieren, sind aber weitere Untersuchungen notwendig. “Letztlich müssen die gesetzlichen Krankenkassen entstehende Kosten tragen und die Leistungen verantworten”
, betont Holz.
Als weitere Maßnahme empfiehlt die Stiftung Auge, dass Hausärzte vor dem Einzug ihrer Patientin oder ihres Patienten in ein Alten- oder Pflegeheim eine Kopie des letzten augenärztlichen Berichts an die Einrichtung mitsenden. Insbesondere bei chronischen Erkrankungen, wie Glaukom oder AMD, ist es zudem wichtig, dass der behandelnde Augenarzt in einem Arztbrief gut verständliche Empfehlungen für die weitere augenheilkundliche Versorgung gibt.
Darüber hinaus fordert die Stiftung Auge, den Themenbereich Auge und Sehen ausführlicher als bisher mit in den Lehrplan von Pflegeaus- und -fortbildung aufzunehmen, damit das Pflegepersonal Anzeichen für Augenerkrankungen, wie häufiges Stolpern, Kopfschmerzen oder Leseprobleme, frühzeitig erkennt und richtig deutet.
Ist ein Arztbesuch unabdingbar, müssen Pflegeeinrichtungen die Begleitung der Pflegebedürftigen zum Arzt sicherstellen. “Vor allem, wenn Angehörige dies nicht leisten können”
, sagt Holz. “Fest steht: Die augenärztliche Versorgung darf nicht am fehlenden Transport scheitern!”