Kategorie Rente Soziale Gerechtigkeit

Bentele zur Erklärung von Finanzminister Klingbeil

  • VdK warnt vor Auslagerung von Sozialversicherungsleistungen in die Privatwirtschaft
  • VdK-Präsidentin: "Umfassendes Netz echter Solidarität nötig"

Finanzminister Lars Klingbeil (SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands) hat Strukturreformen bei den Sozialversicherungen gefordert, um die Beiträge dauerhaft stabil zu halten. Dabei erwartet er von allen Verantwortlichen „mehr Fantasie als Leistungskürzungen für die Arbeitnehmer“. Dazu erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele:

„Die Stimmen werden immer lauter, dass zur Stabilisierung der Sozialversicherungen neben Leistungskürzungen vor allem mehr ‚Eigenverantwortung‘ bei den Versicherten eingefordert werden müsse. Rufe nach mehr Eigenverantwortung implizieren jedoch die Auslagerung von Sozialversicherungsleistungen und Aufgaben der Daseinsvorsorge in die Privatwirtschaft. Davor warne ich vehement. 

Durch die geforderte Eigenverantwortung werden Lücken in die Sozialversicherungsleistungen gerissen, die nur von Personen mit höheren Einkommen kompensiert werden können: hier höhere Zuzahlungen für Medikamente, dort eine private Pflegeversicherung oder ein Sparplan, um die Rente zu erweitern. Bei Menschen mit geringen Einkommen und kleinen Renten fallen mir aber viele Beispiele aus dem Alltag ein, in denen diese Ausweichbewegung unmöglich ist. 

Nicht ausreichende finanzielle Mittel bedeuten beispielsweise in der ambulanten Pflege häufig, dass diese ohne externe Unterstützung komplett auf die Angehörigen verschoben wird. Insbesondere Frauen müssen diese Löcher stopfen und werden häufig gezwungen, ihre eigene Erwerbstätigkeit einzuschränken. Gerade für sie sind Forderungen nach mehr Eigenverantwortung blanker Hohn, sind sie doch bereits jetzt stark gefordert: Sie betreuen Kinder, pflegen Angehörige und verzichten für die Familie auf eine Vollzeitstelle. Sie gleichen hiermit tagtäglich fehlende Rahmenbedingungen wie Kitas, Ganztagsschulen sowie Tages- und Kurzzeitpflegeplätze – die eigentlich der Staat bereitstellen sollte – aus. Gleichzeitig fehlen ihnen finanzielle Mittel zur eigenen privaten Vorsorge, weil sie in der Teilzeitfalle feststecken und noch immer deutlich weniger verdienen. 

Für Menschen mit Behinderungen ist die Übernahme von Eigenverantwortung für Alter und Krankheit oft nicht möglich. Sie bekommen schlicht keine oder nur völlig überteuerte Versicherungen und werden noch immer von vielen Arbeitgebern nicht eingestellt. 

Die Forderung nach mehr Eigenverantwortung bei der Altersvorsorge geht ebenfalls an der Lebensrealität von vielen Menschen vorbei. Wir wissen doch längst, dass sich viele Arbeitgeber komplett aus der Mitfinanzierung von einstmals guten Betriebsrenten zurückziehen. Mehr Eigenverantwortung würde bedeuten, dass die Beschäftigten noch höhere Beiträge in unrentable Riesterverträge stecken müssten, um Kürzungen bei der gesetzlichen Rente auszugleichen. 

Dass private Produkte eine Armutsfalle sein können, verdeutlichen zudem die kürzlich verkündeten Steigerungen der Prämien um 25 Prozent im Standtarif der privaten Krankenversicherungen. Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Eigenverantwortung schneller an ihre Grenzen kommt als die Gemeinschaft. 

Lars Klingbeil hat also recht: Wir brauchen mehr Fantasie, als durch Leistungskürzungen eine Eigenverantwortung für Menschen mit mehr finanziellen Mitteln zu forcieren. Wir brauchen ein umfassendes Netz echter Solidarität durch gute Sozialversicherungen. Sie sorgen für Wohlstand und weniger Armut in Deutschland. Davon profitieren alle.“
 

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