Bentele: „Bayern braucht ein Fitnessprogramm für die soziale Infrastruktur“
VdK Bayern stellt sozialpolitische Forderungen an die Staatsregierung

Auf der Sommerpressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern kritisierte VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele den geringen Einsatz der Staatsregierung zu Sicherstellung und Ausbau der sozialen Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Familie, Gesundheit und Pflege. VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder stellte die Zahlen zur erfolgreichen VdK-Sozialrechtsberatung im ersten Halbjahr 2025 vor. Durch die geplanten Senateverlagerungen des Landessozialgerichts von München nach Schweinfurt befürchtet er unzumutbare Anfahrtswege für klagende VdK-Mitglieder.
„Kinderstartgeld“ ohne sozialen Ausgleich
VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele empfahl der Staatsregierung ein Fitnessprogramm für die soziale Infrastruktur. Sie kritisierte, dass die bayerischen Sozialleistungen des Familien- und Krippengelds ab 2026 durch das deutlich geringere „Kinderstartgeld“ ersetzt werden sollen und sich dadurch die Startchancen für Kinder aus ärmerer Herkunft weiter verschlechtern: „Für Familien mit niedrigen Einkommen bedeutet die Änderung de facto eine Kürzung um rund 5400 Euro je Kind. Auf der Strecke bleiben die frühkindliche Förderung, eine hochwertige Ernährung und die Betreuung.“ Der VdK Bayern fordert einen sozialen Ausgleich statt der geplanten pauschalen Einmalzahlung von 3000 Euro je Kind, damit ärmere Familien höhere Leistungen bekommen.
Bekämpfung von Altersarmut drängender als „Boomer-Soli“
Schlechte Startchancen führen häufig in eine Armutsbiografie bis ins Alter. Insbesondere die Frauenaltersarmut ist mit 24,5 Prozent in Bayern groß. Bei Neurenten aus der gesetzlichen Rente klafft eine Rentenlücke von etwa 450 Euro zwischen Männern und Frauen. Männer starteten 2023 in Bayern mit durchschnittlich 1350 Euro ins Rentenleben, Frauen mit 905 Euro. „Doch auch die Männerrenten sind angesichts der bayerischen Armutsschwelle von 1322 Euro für einen Einpersonenhaushalt alles andere als üppig“, so Bentele.
Dem jüngsten Vorschlag des DIW nach einem „Boomer-Soli“, also einer Sonderabgabe auf Alterseinkommen über 1000 Euro, erteilte die VdK-Landesvorsitzende und VdK-Präsidentin eine scharfe Absage: „Wenn schon Umverteilung, dann an der richtigen Stelle. Wir fordern einen ‚Reichen-Soli‘, also eine faire Besteuerung von höchsten Vermögen und Erbschaften. Das Grundvertrauen in die gesetzliche Rente darf nicht noch weiter untergraben werden.“
Herausforderungen bei Gesundheit und Pflege endlich anpacken
Im politischen Tagesgeschäft fehle oft der lange Atem, so Bentele. „Die Staatsregierung agiert quälend langsam, um die Herausforderungen für Gesundheit und Pflege anzupacken. Bei der Umsetzung der Krankenhausreform hinkt Bayern bei der Planung um Jahre hinterher.“ Dabei häufen sich bereits Insolvenzen kleiner Kliniken. Diese Krise trifft gerade im ländlichen Raum auf eine löchriger werdende Gesundheitsversorgung im ambulanten Bereich bei Hausarzt- und Fachpraxen.
Um die Pflegeversorgung der Bevölkerung in allen Teilen Bayerns sicherzustellen, fordert der Sozialverband VdK, die pflegerische Daseinsvorsorge zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen, ausfinanziert von Bund und Ländern. „Der Markt und nicht selten der Zufall bestimmen, welche Pflegeangebote es vor Ort gibt. Wir steuern hier auf eine Katastrophe mit Ansage zu. Das Anbieten von Pflegedienstleistungen der freien Wirtschaft zu überlassen, hat in eine Sackgasse geführt“, sagte Bentele. Der größte Pflegepersonalmangel wird den Kreisen Straubing-Bogen, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen, Haßberge, Bamberg, Tirschenreuth, Cham und Rottal-Inn vorausgesagt. Zudem spitzt sich die gesundheitliche und pflegerische Versorgung dort besonders zu, wo die Bevölkerung schon seit Jahren schrumpft und älter wird als im Durchschnitt Bayerns, wie in den Landkreisen Kronach, Hof und Wunsiedel. „Doch eigentlich bleibt keine bayerische Kommune vom Pflegenotstand verschont, auch die Großstädte nicht. Aber es fehlt überall an koordinierten regionalen Konzepten und Verantwortlichkeiten“, so Bentele.
Eigenbeteiligung im Pflegeheim auf 3094 Euro gestiegen
VdK-Mitglieder berichten, dass es längst nicht mehr darum geht, einen guten Heimplatz zu bekommen, sondern nur noch darum, irgendeinen Platz zu ergattern. Aktuell müssen Pflegebedürftige und ihre Familien laut vdek in Bayern 3094 Euro pro Monat für das erste Jahr im Pflegeheim selbst bezahlen. Bentele: „Diese Kosten ließen sich spürbar senken, nämlich um 556 Euro, wenn Bayern wie gesetzlich vorgesehen die Investitionskosten und die Ausbildungskosten übernehmen würde.“ Angesichts explodierender Pflegekosten kritisiert die VdK-Landesvorsitzende, dass das bayerische Landespflegegeld von 1000 auf 500 Euro gekürzt wird.
Antragsstau für Fördergelder bei barrierefreiem Umbau
In einer älter werdenden Bevölkerung kommt Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds besondere Bedeutung zu. Doch seit Monaten herrscht ein riesiger Antragsstau für bayerische Fördergelder zum barrierefreien Umbau der Wohnung. Deshalb hatte sich der VdK an Bauminister Christian Bernreiter gewandt. „Aus seiner Antwort lesen wir, dass es diese Förderung theoretisch weiterhin gibt. Doch viele unserer Mitglieder warten bislang vergeblich darauf“, so Bentele. Viele Betroffene erhalten aufgrund ihres Alters oder geringen Einkommens auch von der Bank kein Darlehen. Und wer wegen der akuten Pflegesituation in Vorleistung geht und den Umbau beginnt, dessen Antrag wird abgelehnt. „Wir fordern, dass das Förderprogramm zuverlässig in Anspruch genommen werden kann. Die Fördergelder sind ein essenzieller Beitrag zur Sicherung der Pflegeinfrastruktur“, so Bentele. Zudem fordert der VdK, für Wohnungsneubauten eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit in die Bayerische Bauordnung aufzunehmen.
VdK erreicht fast 60 Millionen Euro Nachzahlungen im ersten Halbjahr
VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder stellte die Halbjahresbilanz des VdK Bayern vor. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 gab es von Januar bis Juli 2025 eine kleine Zunahme an sozialrechtlichen Beratungen und Anträgen in den 69 Kreis- und sieben Bezirksgeschäftsstellen in Bayern. Dem steht ein leichter Rückgang bei Widersprüchen und Klagen entgegen. Insgesamt bewegen sich die Zahlen auf hohem Niveau. So fanden im ersten Halbjahr 2025 196.317 Beratungen statt, es wurden 58.071 Anträge gestellt, 16.806 Widersprüche eingelegt und 4648 Klagen begonnen. „Der Gang zum VdK lohnt sich für unsere Mitglieder. Die Nachzahlungen liegen für das erste Halbjahr bei 59,8 Millionen Euro“, sagte Pausder. Auch bei der Mitgliederentwicklung geht die Kurve weiter nach oben. Aktuell zählt der VdK Bayern etwa 837.000 Mitglieder. „Wir rechnen in diesem Jahr auf jeden Fall mit der 850.000-Mitgliedermarke“, so Pausder.
Kritik an Senateverlagerung des Landessozialgerichts nach Schweinfurt
Der VdK geht mit seinen Mitgliedern durch alle sozialrechtlichen Instanzen, also bis vors Landessozialgericht. 20 Prozent aller Klageverfahren werden dort vom VdK vertreten. Nach einer Ankündigung der Staatsregierung, der Zweigstelle Schweinfurt des Landessozialgerichts München drei weitere Senate zuzuweisen und diese aus München abzuziehen, drohen vielen klagenden VdK-Mitgliedern künftig weite Anfahrtswege. Für viele Betroffene, die häufig krank, erwerbsgemindert, pflegebedürftig oder schwerbehindert sind, ist das unzumutbar. „Die geplante Verteilung von neun Senaten in Schweinfurt und elf in München entspricht nicht der geografischen Herkunft der Klagenden. Nur 30 Prozent der Klagen stammen aus Ober-, Mittel- und Unterfranken. Also müssen künftig viele Klagende weit aus dem Süden anreisen. Aus Sicht des VdK ist diese Umstrukturierung Symbolpolitik, denn es werden durch die Verlagerung in Schweinfurt nicht einmal zehn neue Arbeitsplätze in Schweinfurt entstehen“, erklärte Pausder. Er appellierte an die Staatsregierung, diese Entscheidung zurückzunehmen.
VdK steht für Offenheit und Toleranz
Im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen 2026 bekräftigte Pausder die klare Kante des Sozialverbands VdK Bayern gegen die AfD. „Der VdK steht für Offenheit und Toleranz, gegen Extremismus und Hetze“, betonte er. Mit seiner Präsenz bei Veranstaltungen zum Christopher Street Day in ganz Bayern habe der VdK das in den vergangenen Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Einsatz für Frauenrechte ist dem VdK ebenfalls ein großes Anliegen. So unterstützt im Herbst 2025 Verena Bentele als Schirmpatin die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ des Vereins „One Billion Rising“ und der Bäckerinnung München. Auch das VdK-Ehrenamt wird am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November wieder bayernweit aktiv sein.
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