28. August 2023
SOZIALRECHT

Sanitäter klagt erfolgreich gegen Unfallkasse

BSG: Posttraumatische Belastungsstörung kann Berufskrankheit sein

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann bei Rettungssanitätern als Berufskrankheit anerkannt werden. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 22. Juni (Aktenzeichen: B 2 U 11/20 R). Damit stufte es erstmals eine psychische Erkrankung als Berufskrankheit ein.

Symbolfoto: Zwei Rettungsassistenten der Feuerwehr im Rettungseinsatz, beide Männer tragen rote Berufskleidung und Ausrüstung, sie sind nur verschwommen zu erkennen
© IMAGO / Jochen Tack

Der Kläger erlebte als Rettungssanitäter viele traumatisierende Ereignisse wie einen Amoklauf mit 16 Todesopfern und mehrere Suizide. Im Jahr 2016 wurde bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt.

Die Unfallversicherung Bund und Bahn lehnte allerdings seinen Antrag ab, diese Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen. Die PTBS gehöre nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste aufgezählten Krankheiten. Sie könne auch nicht als Wie-Berufskrankheit anerkannt werden – das ist in Einzelfällen möglich, wenn die medizinischen Voraussetzungen erfüllt werden, aber die langwierige Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste noch nicht erfolgt ist. Laut Unfallkasse gebe es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für diese Berufsgruppe, dass wiederholte Konfrontationen mit solchen Ereignissen eine PTBS auslösen.

Hohes Risiko

Über die Klage des Rettungssanitäters hatte das BSG bereits im Jahr 2021 verhandelt und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter hatte festgestellt, dass das Risiko einer PTBS bei Rettungssanitätern im Vergleich zur übrigen Bevölkerung fast siebenfach erhöht ist. Besonders belastend seien erfolglose Rettungsmaßnahmen und die Bergung schwerverletzter oder toter Kinder.

Anders als die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht daraufhin schließlich entschieden, dass eine PTBS bei Rettungssanitätern als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden kann. Rettungssanitäter seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt, an PTBS zu erkranken. Dieser Ursachenzusammenhang ergebe sich aus den international anerkannten Diagnosesystemen sowie den Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften. Es reiche der Nachweis einer überdurchschnittlichen Belastung einer Berufsgruppe mit traumatisierenden Ereignissen für die Anerkennung einer Berufskrankheit aus, so das BSG.

Ob bei dem klagenden Rettungssanitäter tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, bedarf jedoch noch weiterer Feststellungen. Deshalb verwies das BSG die Sache an das Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart zurück.

Jörg Ciszewski


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