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Wer arbeitslos ist oder eine niedrige Rente bezieht, muss den Gürtel sehr eng schnallen. Denn Hartz IV und Grundsicherung reichen oft nicht zum Leben. Der Sozialverband VdK kritisiert schon seit Jahren, wie die Höhe der Sozialleistungen festgelegt wird.
Als Berechnungsgrundlage für Bedarfsgemeinschaften dienen die Ausgaben der Familien mit den unteren 20 Prozent der Einkommen, bei den Single-Haushalten sind es die unteren 15 Prozent. Darin liegt nach Ansicht des Sozialverbands VdK schon der erste Rechenfehler: Zu diesen Einkommensgruppen zählen nicht nur Menschen mit niedrigen Löhnen, sondern auch diejenigen, die mit ihrem Einkommen nicht über die Runden kommen.
Dazu gehören Aufstocker, die zwar einen Job haben, aber Hartz IV beantragen müssen, weil das Geld sonst nicht zum Leben reicht. Ebenfalls in die Berechnung miteinbezogen werden Menschen, die ihren Anspruch auf Grundsicherung nicht wahrnehmen – sei es aus Scham, weil sie schlecht informiert sind, oder aus anderen Gründen. Auch Erwerbsminderungsrentner, deren Einkünfte oftmals nur wenige Hundert Euro betragen, fließen in die Kalkulation mit ein.
Der VdK verweist auf den Zirkelschluss, der durch den Einbezug dieser Gruppen bei der Berechnung des Bedarfssatzes entsteht: Viele Betroffene bleiben selbst unter dem Existenzminimum. Wenn ihr Konsumverhalten zur Berechnung von Hartz IV herangezogen wird, dient das nicht der Erfassung des tatsächlichen Bedarfs, sondern nur der Verringerung der Regelsatzhöhe.
Von diesen ermittelten Ausgaben werden nun die Posten abgezogen, die für die Existenzsicherung als nicht notwendig bewertet werden. Unter welchen Maßstäben das geschieht, ist unklar. Gestrichen werden nicht nur die Beträge für Alkohol, Zigaretten, Glücksspiel und Urlaub, sondern beispielsweise auch für Textilreinigung, Katzenfutter oder eine Topfpflanze. Für einen Weihnachtsbaum ist ebenfalls kein Geld vorgesehen.
Hinzu kommt, dass die Hartz-IV-Sätze der realen Preisentwicklung hinterherhinken. Für einen Erwachsenen wird der Regelsatz zum 1. Januar 2022 um gerade mal drei Euro angehoben. Die derzeitige Inflation inklusive Kostenexplosion bei den Energiepreisen müssen die Betroffenen aus eigener Tasche ausgleichen.
Strom ist im Regelsatz zwar enthalten, doch die dafür vorgesehene Summe ist fast immer zu niedrig. Der VdK fordert, dass der Betrag aus den regionalen Durchschnittswerten errechnet wird. Derzeit müssen Hartz-IV- und Grundsicherungsbezieher im Schnitt zehn Euro monatlich zuzahlen.
Ähnlich sieht es mit den Mieten aus: Das Jobcenter beziehungsweise das Sozialamt bestimmen, ob die Höhe der Miete angemessen ist. Mit dem tatsächlichen Wohnungsmarkt hat das nur wenig zu tun. Etwa jede/jeder Fünfte muss den Rest der Miete aus dem knapp bemessenen Regelsatz begleichen. Bei den Telefonkosten werden zwar mittlerweile Mobiltelefone berücksichtigt, aber digitale Teilhabe – Computer und Internetzugang – sind bei Hartz IV und Grundsicherung nicht vorgesehen. Auch der Anteil für Mobilität ist zu niedrig bemessen und reicht in den meisten Städten nicht aus, um ein Sozialticket zu bezahlen.
Dramatisch wird das Kleinrechnen der Bedarfe bei Senioren, chronisch Kranken und Menschen mit Behinderung. Sie haben nicht nur mit großen Einschränkungen zu kämpfen, sondern auch einen höheren Bedarf, etwa für Medikamente, Zuzahlungen, Hilfsmittel oder Taxifahrten. Bei ihnen reicht der Regelsatz bei Weitem nicht aus, um den Alltag zu bewältigen und am Leben teilzuhaben.
Auch für Kinder ist die Leistung viel zu niedrig angesetzt. Das führt zur sozialen Ausgrenzung, zu erheblichen Beeinträchtigungen der schulischen Laufbahn und letztendlich dazu, dass sich die soziale Benachteiligung weiter zementiert. Der VdK sowie weitere Verbände fordern eine eigene Kindergrundsicherung, die an den Bedürfnissen von Kindern ausgerichtet ist.
VdK-Präsidentin Verena Bentele appelliert an die Bundesregierung, das Problem entschlossen anzugehen: „Die neue Regierung muss dringend Maßnahmen auf den Weg bringen, um Armut wirksam zu bekämpfen. Dazu gehört, die Regelsätze in der Grundsicherung so zu erhöhen, dass sie soziale Teilhabe, gesunde Ernährung und Mobilität ermöglichen. Der soziale Arbeitsmarkt muss ausgebaut und verstetigt werden, und es muss einen Anspruch auf Qualifizierung und Weiterbildung geben.“
Annette Liebmann
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