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In Deutschland sind immer mehr Menschen auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen. Ihre Zahl ist von 1,59 Millionen im Jahr 2010 auf 1,78 Millionen zum Jahresende 2015 gestiegen. Inzwischen machen sie fast 20 Prozent aller Neurentner aus.
Die Gründe für die Zunahme sind vielfältig. Neben Menschen, die in ihren Berufen körperlich hart arbeiten und oft chronische Gesundheitsschäden – meist Muskel- Skelett-Erkrankungen – davontragen, scheiden immer mehr Berufstätige, etwa in Pflegeberufen, auch wegen hoher psychischer Belastungen vorzeitig aus dem Beruf aus. Das durchschnittliche Alter der Neurentner ist inzwischen auf 51,6 Jahre gesunken.
Ein weiterer Grund für den Anstieg ist, dass die Menschen aufgrund der schrittweisen Erhöhung der Altersgrenze auf 67 Jahre immer später eine Altersrente beziehen. Wer seinen Beruf mit 55 aufgibt, muss dann 12 anstatt bisher 10 Jahre mit Hilfe einer Erwerbsminderungsrente überbrücken. Auch passiert bislang noch zu wenig, um durch Prävention und Rehabilitation Erwerbsminderungen zu verhindern.
Die Zahl der Erwerbsminderungsrenten steigt weiter – und das, obwohl die Hürden für den Zugang zur Erwerbsminderungsrente in Deutschland sehr hoch sind und fast die Hälfte der Anträge abgelehnt wird. Das heißt, dass die Zahl der Antragsteller noch deutlich höher liegt – und dass immer mehr Menschen zwar nicht mehr arbeiten können, aber auch keine Rente erhalten, weil sie im Sinne der gesetzlichen Vorgaben nicht krank genug sind.
Eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aus gesundheitlichen Gründen nur noch in der Lage sind, weniger als drei Stunden am Tag zu arbeiten. Wer nach Einschätzung der Gutachter zwischen drei und unter sechs Stunden arbeitsfähig ist, erhält die halbe Rente; wer mindestens sechs Stunden arbeiten kann, erhält nichts. Dabei spielt nur für die vor 1961 Geborenen der erlernte Beruf noch eine Rolle. Bei allen anderen genügt es, dass sie sich theoretisch am Arbeitsmarkt für irgendeine andere Tätigkeit bewerben könnten. In der Praxis finden die meisten jedoch keinen Job mehr und sind auf Arbeitslosengeld I bzw. II angewiesen. Diejenigen, die eine An- stellung finden, arbeiten meist im Niedriglohnsektor, erhalten aber keinerlei Ausgleich für den Einkommensverlust. Viele müssen trotz Arbeit bis zur Grundsicherung aufstocken.
Wer vor dem Rentenalter seinen Beruf aufgeben muss, weil die Gesundheit nicht mehr mitmacht, dem droht in Deutschland akute Armut: Er oder sie rutscht in vielen Fällen unter das Existenzminimum und muss von Grundsicherung leben.
Die ausbezahlten Renten sind in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Für einen Neurentner liegt die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente mit 672 Euro inzwischen deutlich unterhalb des Grundsicherungsbedarfs in Höhe von 769 Euro. Fast ein Fünftel der Personen, die in Haushalten von Erwerbsminderungsrentnern leben, ist mittlerweile auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen; bei Alleinstehenden sind es 28 Prozent. Zwar hat die Bundesregierung mit dem Rentenpaket 2014 die Konditionen etwas verbessert; die Armutsgefahr ist jedoch längst nicht gebannt. Davon profitieren außerdem nur Neurentner und nicht diejenigen, die schon in Rente sind.
Berechnungsgrundlage für eine Erwerbsminderungsrente ist der Durchschnitt der bisher geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung. Dieser wird für die Dauer der Erwerbsminderung bis zum 62. Lebensjahr fortgerechnet. Vorgesehen ist, die Zurechnungszeit zwischen 2018 und 2024 in sieben Schritten auf das 65. Lebensjahr zu erhöhen. Wer in seinem Berufsleben allerdings nicht durchgehend Rentenversicherungsbeiträge geleistet hat, etwa weil er länger arbeitslos war, hat das Nachsehen: Diese Zeiten zählen nicht für die Erwerbsminderungsrente.
Der wachsende Niedriglohnsektor und nichtversicherungspflichtige Minijobs führen ebenfalls dazu, dass Erwerbsminderungsrenten oft sehr spärlich ausfallen. Besonders betroffen sind gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die mit der Rentenreform 2001 eingeführten Absenkungsfaktoren für die Rente verschärfen das Problem.
Abschläge mindern Rente zusätzlich Obwohl ein Berufsausstieg aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht freiwillig ist, werden die Betroffenen von der Rentenversicherung dafür bestraft. Eine Erwerbsminderungsrente in voller Höhe erhalten nur die, die nach dem 63. Lebensjahr aus dem Beruf ausscheiden – also kurz vor Erreichen der regulären Altersgrenze. Wer früher aufgibt, muss pro Monat einen Abschlag von 0,3 Prozent bis zu einer Obergrenze von 10,8 Prozent hinnehmen. Wer also mit 60 Jahren oder früher Rente beantragt, bei dem schlagen die vollen 10,8 Prozent zu Buche. Dies sind im Durchschnitt 80 Euro pro Monat.
Eine private Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist gerade für Beschäftigte in körperlich belastenden Berufen aufgrund hoher Prämien kaum erschwinglich, insbesondere jenseits des 40. Lebensjahrs oder bei Vorerkrankungen. Oft wird dann überhaupt kein Versicherungsschutz mehr angeboten, oder der Versicherungsschutz endet mit 55 oder 60 Jahren – also dann, wenn ihn viele brauchen.
VdK-Standpunkt und Forderungen zum Thema Erwerbsminderungsrente. In Deutschland sind immer mehr Menschen auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen. Ihre Zahl ist von 1,59 Mio. im Jahr 2010 auf 1,78 Mio. zum Jahresende 2015 gestiegen. Inzwischen machen sie fast 20 Prozent aller Neurentner aus.
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VdK-Standpunkt und Forderungen zum Thema Erwerbsminderungsrente. In Deutschland sind immer mehr Menschen auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen. Ihre Zahl ist von 1,59 Mio. im Jahr 2010 auf 1,78 Mio. zum Jahresende 2015 gestiegen. Inzwischen machen sie fast 20 Prozent aller Neurentner aus.
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