28. Februar 2023
GESUNDHEIT

Betreuungsrecht: Wünsche müssen berücksichtigt werden

Mit der Reform des Betreuungsrechts wird die Selbstbestimmung von betreuten Personen gestärkt

1,3 Millionen Menschen in Deutschland – Menschen mit Behinderung oder einer psychischen Erkrankung, darunter auch Senioren – werden rechtlich betreut. Mit der Reform des Betreuungs- und des Vormundschaftsrechts hat sich einiges für sie geändert.

Symbolfoto: Figurchen - eine im Rollstuhl, die andere schiebt ihn - und ein Formular für eine Betreuungsverfügung
© IMAGO / Steinach

Eine rechtliche Betreuung darf nur bestellt werden, wenn dies unbedingt notwendig ist. Sie kann erforderlich werden, wenn eine erwachsene Person ihre Angelegenheiten aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung nicht (mehr) oder nur teilweise selbst regeln kann. Dazu muss ein Antrag gestellt werden. Das Betreuungsgericht überprüft den Fall sorgfältig und legt fest, in welchen Bereichen die betreute Person Unterstützung benötigt.

Die rechtliche Betreuung kann ein Familienmitglied, eine nahestehende Person, eine gesetzliche Betreuerin oder ein gesetzlicher Betreuer übernehmen. Ebenfalls in Frage kommen Betreuungsvereine. Dort führen ehrenamtliche Mitglieder die Betreuungen durch und werden von hauptamtlichen Fach-kräften beraten.

Im Mittelpunkt des neuen Betreuungsrechts stehen die Wünsche und die Selbstbestimmung der zu betreuenden Personen. Damit soll die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden. Betreuerinnen und Betreuer sind an den Willen und die Wünsche der Betroffenen gebunden und haben die Aufgabe, sie darin zu unterstützen, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Der regelmäßigen Kommunikation und Information kommt dabei eine große Bedeutung zu.

Betreuerinnen und Betreuer sind verpflichtet, durch Erläuterungen oder Beispiele die Entscheidungs-findung zu unterstützen. Wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern, dienen dessen mutmaßlichen Wünsche als Orientierung. Die stellvertretende Entscheidung durch eine Betreuerin oder einen Betreuer soll die Ausnahme sein.

Auch die zwischenmenschliche Beziehung spielt eine größere Rolle als bisher: Zu betreuende Personen haben ein Mitspracherecht, von wem sie betreut werden möchten. Auf Wunsch können sie ihre Betreuerin oder ihren Betreuer noch vor Beginn kennenlernen.

Letztere sind verpflichtet, regelmäßig Kontakt zu ihren Schützlingen zu halten und die Angelegenheiten mit ihnen zu besprechen. Neu eingeführt wurde, dass die rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer gegenüber nahen Angehörigen eine Auskunftspflicht haben, wenn dies nicht dem Wunsch der betreuten Person widerspricht. Allerdings muss nicht jeder Schritt und jede Entscheidung abgesprochen werden.

Mit der Reform soll sich auch die Qualität der Betreuung verbessern. Großer Wert wird auf die Eignung gelegt. Berufsbetreuerinnen und -betreuer müssen bei ihrer Stammbehörde registriert werden, beispielsweise beim Landratsamt. Dazu ist es notwendig, nachzuweisen, dass sie zuverlässig sind, das notwendige Fachwissen sowie soziale Kompetenzen haben. Unter anderem sollen sie ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Auskunft beim Vollstreckungsportal vorlegen. Das soll Missbrauch vorbeugen und das Vermögen der betreuten Person schützen. Auch eine Berufshaftpflicht muss abgeschlossen werden, denn künftig sind Berufsbetreuerinnen und -betreuer für eventuelle Schäden, die durch ihre Arbeit entstanden sind, haftbar beziehungsweise müssen von sich aus nachweisen, dass sie diese nicht verursacht haben.

Angehörige, die eine Betreuung übernehmen, sollen künftig von der zuständigen Behörde bei ihren Aufgaben unterstützt werden. Die Behörde soll zusätzlich Beratung und Hilfe anbieten, beispielsweise bei einer Antragstellung. Wie dies konkret umgesetzt werden soll, ist bislang jedoch unklar.

Ehegatten vertreten sich

Neu ist auch das sogenannte Ehegattennotvertretungsrecht in Gesundheitsfragen: Ist ein Ehegatte aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung bei medizinischen Fragen nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu entscheiden, kann die Partnerin oder der Partner beispielsweise in ärztliche Eingriffe einwilligen, diese untersagen oder Behandlungsverträge abschließen. Bisher war das nur möglich, wenn eine entsprechende Vorsorgevollmacht vorlag.

Die Neuregelung gilt ausschließlich für den medizinischen Bereich. Sie umfasst keine Behördengänge oder Bankgeschäfte. Dafür ist weiterhin eine Vorsorgevollmacht notwendig. Nach sechs Monaten läuft das Notvertretungsrecht aus. Dann muss eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt werden.

Annette Liebmann

Schlagworte Ehegattennotvertretungsrecht | Betreuungsrecht | Betreuung | Behinderung | Erkrankung | Vormundschaftsrecht

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