19. Oktober 2021
GESUNDHEIT

Rauchfrei auf Rezept: Tabakentwöhnung soll endlich Kassenleistung werden

Ein neues Gesetz sieht vor, dass Krankenkassen künftig bei einer schweren Tabakabhängigkeit Medikamente zur Unterstützung einer Entwöhnung bezahlen. Allerdings müssen Betroffene einige Voraussetzungen erfüllen.

Das Bild zeigt eine angezündete Zigarette, die auf einem grauen Untergrund liegt.
© unsplash

Stephan Mühlig, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Chemnitz, hat viele Jahre dafür gekämpft, dass Medikamente zur Tabakentwöhnung eingesetzt werden können. Bestimmungen im Sozialgesetzbuch hatten das lange blockiert. Denn dort wurden Mittel zur Linderung des Entzugssyndroms den Lifestyle-Medikamenten zugeordnet, die nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Das sind Mittel, die nicht in erster Linie zur Bekämpfung einer Erkrankung eingesetzt werden, sondern bei denen eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht.

Sucht als Krankheit

Um das zu ändern, unterstützte Mühlig mit weiteren Wissenschaftlern ein Rechtsgutachten, das der Wissenschaftliche Arbeitskreis Tabakentwöhnung (WAT) um Professor Anil Batra von der Universität Tübingen in Auftrag gab. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass der Staat seine Schutzpflicht verletzt, wenn er Nikotinsucht nicht als behandlungsbedürftige Krankheit ansieht. Die Sucht sei zu behandeln, weil sie weitere Krankheiten zur Folge habe, die es zu vermeiden gelte, heißt es.

Zudem leitete Mühlig ein Forschungsprojekt, bei dem die Technische Universität (TU) Chemnitz, die Krankenkasse AOK plus und der Berufsverband der Pneumologen in Sachsen kooperierten und nachweisen konnten, dass unterstützende Medikamente einen großen Anteil am Erfolg der Tabak-
entwöhnung haben können.

Für Mühlig ist nun wichtig, dass die Entwöhnung durch das Gesetz erstmalig als Heilleistung anerkannt ist. „Die Gesetzesänderung ist aber nur der erste Schritt“, sagt er. Jetzt müsse der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese gesetzliche Vorgabe in konkrete, abrechenbare Behandlungsformate umsetzen, damit das Gesetz auch Anwendung findet.

Keine klaren Kriterien

Grundsätzlich begrüßt auch der Sozialverband VdK, dass Arzneimittel für eine Tabakentwöhnung von der Krankenkasse übernommen werden. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch sehr einschränkend, kritisiert der VdK. Die Patientin oder der Patient muss unter einer schweren Tabakabhängigkeit leiden. Allerdings gibt es keine genauen Kriterien, nach denen die „Schwere“ beurteilt wird.

Raucher, bei denen die Behandlung nicht erfolgreich war, können frühestens drei Jahre danach erneut therapiert werden. Und die Behandlung muss im Rahmen eines wissenschaftlich fundierten Programms erfolgen. An den anfallenden Kosten wird sich der Patient beteiligen müssen.

Insgesamt seien viele Schritte notwendig, von der Diagnose beim Arzt über die Suche nach dem richtigen Entwöhnungskurs bis hin zur Antragstellung bei der Krankenkasse, um die sich die Versicherten selbst kümmern müssen, gibt der VdK zu bedenken. Bis diese Kassenleistung kommt, wird es noch dauern. Der Gesetzgeber hat dem G-BA für die notwendige Richtlinie keine zeit­liche Frist gesetzt.

Jörg Ciszewski


VdK-TV: Rauchen - endlich aufhören!

Der Jahresbeginn ist für viele die Gelegenheit sich gute Vorsätze fürs neue Jahr zu machen. Wohl einer der häufigsten ist: "Endlich mit dem Rauchen aufhören!"

Schlagworte Rauchen | Tabakentwöhnung | Arzneimittel

  • Sozialrecht
    Ob Rente, Gesundheit und Pflege, Teilhabe und Behinderung, Leben im Alter oder soziale Sicherung: Der Sozialverband VdK ist für seine Mitglieder ein kompetenter Ratgeber und Helfer in allen sozialrechtlichen Belangen. | weiter
  • Rente
    Der VdK will die Rente zukunftssicher machen und Altersarmut verhindern. Lesen Sie hier alles rund um die Themen Rente, Alterssicherung und unsere rentenpolitischen Forderungen. | weiter
  • Soziale Gerechtigkeit
    Rund 15,3 Millionen Menschen sind in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht - das ist fast jeder Fünfte! Der Sozialverband VdK kämpft für soziale Gerechtigkeit und setzt sich gegen die fortschreitende soziale Spaltung ein. | weiter
  • Behinderung
    Der VdK setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen ein. Lesen Sie mehr zu Inklusion, Behindertenpolitik und Barrierefreiheit. | weiter
  • Pflege
    Wir finden: Die Situation Pflegebedürftiger und Pflegender muss sich dringend verbessern. Lesen Sie hier mehr zum Thema Pflegepolitik, pflegende Angehörige, häusliche Pflege und Pflegeleistungen. | weiter
  • Gesundheit
    Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das an den Bedarfen der Menschen ausgerichtet ist. Lesen Sie mehr zu Gesundheitspolitik, Prävention, Gesundheitsleistungen, Hilfsmitteln und Versorgung. | weiter
  • Frauen
    Frauen erhalten 49 Prozent weniger Einkommen und 53 Prozent weniger Rente als Männer. Der VdK setzt sich für mehr Gerechtigkeit für Frauen ein, kämpft für Gleichberechtigung und Gleichstellung. | weiter
  • Familie
    Wir brauchen Verlässlichkeit für Familien. Der VdK setzt sich unter anderem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, für familiengerechte Arbeitszeiten, den Ausbau der Kinderbetreuung und für ein Rückkehrrecht in Vollzeit. | weiter
  • Ukraine-Hilfe
    Auf dieser Seite haben wir Basis-Informationen für ukrainische Geflüchtete und Helfer zusammengestellt. Zu allen Informationen gibt es weiterführende Links. | weiter
    09.01.2023

Rat und Tat | Zahlt die Krankenkasse eine unbekannte Therapie?

Neue Behandlungs- und Untersuchungsmethoden werden nicht immer von der Krankenkasse bezahlt - unter Umständen müssen die Versicherten die Kosten dann selbst tragen. Aber wer entscheidet eigentlich darüber, welche Therapien bezahlt werden? VdK-Rechtsexperte Oliver Sonntag beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Hilfsmittel abgelehnt?

Wir sagen Ihnen, was Ihnen laut Sozialrecht zusteht und kämpfen für Ihr Recht. Bundesweit. Jetzt Beratung vereinbaren!

Der VdK
Eine Frau gibt einer anderen Frau zur Begrüßung die Hand. Sie stehen am Eingang eines Gebäudes mit der Aufschrift "VdK Service Point"
Finden Sie mit der Beratungsstellen-Suche die nächste Rechtsberatungsstelle des Sozialverbands VdK - auch in Ihrer Nähe!
DER VdK
Symbolfoto: Zwei Frauen und ein Mann ziehen gemeinsam an einem Seil, an dessen Ende auch jemand zieht.
Wir machen uns stark für soziale Gerechtigkeit. Wir vertreten Ihre sozialpolitischen Interessen und kämpfen für Ihre Rechte. Unsere Stärke: Unabhängigkeit und Neutralität.

Presse
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter mit Informationen zu Sozialpolitik und Sozialrecht sowie aktuellen Infos rund um den Sozialverband VdK.

Datenschutzeinstellungen

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns helfen, unser Onlineangebot zu verbessern.

  • Notwendig
  • Externe Medien
Erweitert

Hier finden Sie eine Übersicht über alle verwendeten Cookies in externen Medien. Sie können Ihre Zustimmung für bestimmte Cookies auswählen.