Kategorie Tipp Behinderung

Leben mit dem Extra-Chromosom

Lara Mars macht Frauen Mut, die ein Kind mit Down-Syndrom bekommen. Mit ihrem Magazin “Von Mutter zu Mutter” möchte sie Müttern in einem Schicksalsmoment die Hand reichen. Wenn sie erfahren, dass ihr Kind das Down-Syndrom hat, sollen sie spüren, dass sie nicht allein sind, sagt die 33-Jährige.

Was hätte ihr damals geholfen, als sie vollkommen unvorbereitet und von der Entbindung noch sehr geschwächt erfuhr, dass ihre Tochter das Down-Syndrom hat? Darüber hat sie viel nachgedacht. “Ich habe sehr lange daran zu knabbern gehabt. Vor allem die Art und Weise, wie ich über die Diagnose informiert wurde, war für mich traumatisch”, erinnert sich Lara Mars.

Gefehlt habe ihr damals jemand, der mit voller Überzeugung sagt: “Es wird anders, aber es wird gut.” Stattdessen erhielt sie mit der Diagnose medizinische Informationsbroschüren, als sie Hoffnung und Empathie gebraucht hätte. “Wahrscheinlich war auch das Krankenhauspersonal mit dieser Situation überfordert”, mutmaßt sie heute. In Deutschland werden neun von zehn Schwangerschaften von Kindern mit Down-Syndrom abgebrochen.

Gefühlschaos

eute hält sie das Heft in der Hand, das sie damals gern vom Arzt oder von der Krankenschwester bekommen hätte. Acht Mütter und Geschwister erzählen darin in sehr persönlichen Texten vom Familienleben mit dem Down-Syndrom. Die Geschichten beschreiben den Lebensalltag, auch die schwierigen Momente.

Es geht zum Beispiel um ein Kind, das mit einem schweren Herzfehler zur Welt kommt und künstlich ernährt werden muss. Aber es geht auch um die glücklichen Momente und den Zauber zwischen Mutter und Kind. Darum, dass vieles gut und besser werden kann.

“In den ersten Tagen nach der Diagnose herrscht bei den Eltern ein Gefühlschaos. Mir ist es wichtig, dann mit unseren Geschichten da zu sein und zu sagen: Du bist nicht allein. Und alles wird gut”, erklärt sie. Ihr habe damals Instagram als soziales Netzwerk geholfen. Dort lernte sie weitere Mütter von Kindern mit dem Down-Syndrom kennen, die sie fragte, ob sie bei dem Magazin mitmachen. Durch die Zusammenarbeit an dem Heft entstanden Freundschaften.

Mittlerweile sind rund 5.000 Exemplare des Hefts deutschlandweit verteilt. Sie liegen in Kliniken und Praxen, bei Hebammen und Ärzten. “Ich wollte, dass sie zielgerichtet dort hingelangen, wo sie gebraucht werden. Dabei geholfen haben uns rund 160 freiwillige Botschafter. Es gelingt immer häufiger, Müttern das Heft mit der Diagnose oder kurz danach zu überreichen.”

Projekt soll wachsen

Die Rückmeldungen seien durchweg positiv. Eine Frau, die das Heft zwei Tage nach der Diagnose erhielt, schrieb ihr: „Du kannst dir nicht vorstellen, was dieses Heft für mich bedeutet hat. Es hat meine Welt wieder zurechtgerückt.“ Das Projekt soll weiter wachsen. “Es wird eine nächste Auflage geben”, sagt Lara Mars. Darin will sie eine Anregung aufgreifen. “Mich hat jemand gefragt, was eigentlich mit den Vätern ist? Das wird ein Thema sein”, erzählt sie und erinnert sich an ihren eigenen Mann. “Der ist damals viel schneller in der Diagnose gewesen als ich. Super, hat er gesagt. Die Tochter passt nicht ins System. Wir müssen nicht mitmachen bei: höher, schneller, weiter.”

Und wie geht es der kleinen Tilda heute? “Ihr geht es super. Sie ist ein fröhliches und aufgewecktes Kind, das gerade das Laufen für sich entdeckt. Nächstes Jahr geht sie in die integrative Kita.” Tilda hat ein T-Shirt, auf dem steht: “I can change the world” (Ich kann die Welt verändern). “Vielleicht können wir mit unserem Projekt ja wirklich etwas verändern”, sagt die 33-Jährige.