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Kleeblatt, Schornsteinfeger Glücksschwein und Hufeisen gehören zu den favorisierten Glückssymbolen der Deutschen. Viele haben auch einen Talisman. Dagegen kann an einem Freitag, dem 13., schon ein mulmiges Gefühl aufkommen. Schwarze Katzen von links – ganz übel. Zerbrochene Spiegel – sieben Jahre Unglück. Mit dem linken Fuß aufstehen – schlechte Laune und Pech. Woher kommt der Aberglaube? Steckt er gar in uns Menschen?
Dr. Rainer Wehse, ehemaliger Dozent im Fach Volkskunde an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der sich sein Leben lang mit Aberglaube beschäftigt hat, sagt: „Aberglaube oder Volksglaube hat es in allen Kulturen gegeben. Es ist der Wunsch, eine nicht erfassbare Welt in den Griff zu bekommen.“
Als Volkskundler gebraucht Dr. Wehse für Aberglaube lieber den Begriff Volksglaube. Und dieser bezeichnet den Glauben an Vorgänge, die Einfluss auf das Schicksal nehmen. Glücksbringer und Rituale sollen vor Unglück und dem Bösen schützen. Der „gesunde Menschenverstand“ steht also in dauerndem Wettstreit mit irrationalen Ebenen, die unser Handeln beeinflussen oder sogar bestimmen.
Magische Praktiken wie Kartenlesen oder Orakel halten sich hartnäckig auch in unserer modernen Kultur. So würden viele an einen Talisman glauben, an persönliche Glücksbringer, in die man Gutes interpretiert.Ganz oft: eine Figur des Christophorus, ein frühchristlicher Märtyrer, der beim Autofahren beschützen soll. Oder der Schutzengel, den ein kleines Kind als Kette geschenkt bekommt. Man verlässt sich darauf, und alles soll gut werden. Allein, wenn man sich einen „guten Tag“ wünsche, setze das schon voraus, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen möge, sagt Dr. Wehse.
„Wir haben unglaublich viele Aberglaubensvorstellungen in Deutschland“, betont der Volkskundler. Selbst diejenigen, die glaubten, rational zu denken, seien Glücksbringern und bestimmten Routinen, die uns ein gutes Gefühl geben, nicht abgeneigt. Ein Beispiel: Der Nobelpreisträger Max Planck, Physiker und Entdecker der Quantentheorie, soll bei seinem dänischen Kollegen Niels Bohr am Haus ein Hufeisen gesehen haben. Und Bohr habe zu Planck gesagt: „Man sagt, es hilft.“
Dass es bestimmte Hirnfunktionen gibt, die für abergläubisches Denken zuständig sind, steht für Dr. Wehse fest. Vor allem Kinder würden zu Ritualen neigen. Das gebe ihnen Sicherheit. Für Dr. Wehse hat der Aberglaube deshalb auch seine guten Seiten. „Man ist gelassener, wenn man seinen Talisman bei sich hat.“ Denn eine treibende Kraft, die zu abergläubischem Denken führe, seien oft auch unterschwellige Ängste. So gesehen könne Aberglaube auch eine Art Lebenshilfe sein. Wenn dieser dann allerdings so
stark werde, dass er Menschen in bestimmten Situationen hemmt, werde es problematisch. Wenn zum Bespiel jemand ohne seinen Glücksbringer den Tag nicht mehr zu überstehen glaubt oder sich zu sehr in Negatives hineinsteigert.
In diesem Zusammenhang erinnert sich Dr. Wehse an eine seiner Studentinnen an der Universität München. Sie war passionierte Reiterin und entdeckte eines Tages auf einem Hof ihr „Traumpferd“. Doch sie konnte es bei aller Liebe nicht kaufen, weil der Weg zum Hof Gerüchten zufolge „verflucht“ war. Die unterschwellige Angst vor Unheilvollem sei größer gewesen als die große Lust, das Tier zu besitzen.
Schon die Römer haben den Abfall vom echten Glauben als „Superstitio“ bezeichnet, was „Überglauben“ bedeutet. Die 13. Fee im Märchen Dornröschen ist eben die Fee, die das Unheil bringt. Die zwölf Apostel sind dagegen eine „gute“ Zahl. Sternschnuppen bringen Glück, der Anblick einer Spinne am Morgen bekanntlich Kummer und Sorgen, einem umgekippten Salzstreuer soll ein Streit folgen. Manche Mythen halten sich hartnäckig in allen Gesellschaften.
Dr. Wehse hat in seinen Forschungen festgestellt, dass Frauen abergläubischer sind als Männer. Auch Sportler oder Künstler sind Dr. Wehse zufolge oft sehr abergläubisch. Beim Sportler müssen es bestimmte Schuhe sein, damit sich der Erfolg einstellt, viele Künstler gehen ohne ihr Amulett nicht auf die Bühne.
Dr. Wehse selbst trennt den Volksglauben auch nicht vom kirchlichen Glauben. Denn auch in der Kirche gebe es viel Magisches: Es gehe um die Huldigung eines höheren Wesens. Und man selber wünsche sich ein Leben nach dem Tod und dass man in den Himmel kommt. Auch hier habe der Glaube für einen selber also einen bestimmten Nutzen.
Petra J. Huschke
Schlagworte Aberglaube | Glücksbringer | Geschichte | Kultur | Magie | Volkskunde
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