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Seit 50 Jahren versorgt das Magazin „Eltern“ Mütter und Väter mit Tipps und Infos rund um das Leben mit Kindern. Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki arbeitet seit 30 Jahren bei „Eltern“ und ist selbst Mutter eines Sohnes. Im Interview mit der VdK-Zeitung beruhigt sie die Eltern von heute: „Wer sein Kind liebt und ihm das zeigt, kann gar nicht so viel falsch machen.“
VdK-Zeitung: Wie hat sich Elternsein in den vergangenen 50 Jahren verändert?
Lewicki: So stark wie niemals zuvor innerhalb von 50 Jahren. Als „Eltern“ gegründet wurde, suchten junge Mütter und Väter vor allem Information, weil sie vieles anders machen wollten als ihre eigenen Eltern. Erziehen ohne Gewalt zum Beispiel, aber auch Kinder nicht mehr in Kreißsälen zur Welt zu bringen, sondern in einer guten, liebevollen Atmosphäre. Es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, wie gute Erziehung aussieht, und das Elternsein verband Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Schichten und unterschiedlicher Einkommensverhältnisse. Heute haben wir eine sehr ausdifferenzierte Gesellschaft, und das trifft eben auch auf die Eltern zu. „Stillmütter“ verstehen „Fläschchenmütter“ nicht. Wer sein Kind viel trägt und im eigenen Bett schlafen lässt, hat oft kein Verständnis für Eltern, die das nicht mögen. Das macht das Elternsein nicht gerade leichter.
VdK-Zeitung: Was ist die größte Herausforderung für die Eltern von heute?
Lewicki: Da gibt es zwei Dinge: die Informationsflut zu bewältigen, ohne sich komplett verrückt machen zu lassen. Und mit den vielen Anforderungen zurechtzukommen, die die Gesellschaft heute an Eltern heranträgt: Sie sollen engagiert und perfekt erziehen, gleichzeitig aber auch schnell wieder doppelt berufstätig sein.
VdK-Zeitung: Haben es inzwischen vor allem Mütter schwerer, weil sie den Spagat zwischen Familie, Haushalt und Beruf schaffen müssen?
Lewicki: Ja, leider ist das so. Gefühlt ist die frühe Rückkehr in den Job zu den übrigen Pflichten einer Mutter addiert worden. Sämtliche Statistiken, die es über die Arbeitsteilung in Beziehungen mit Kindern gibt, belegen, dass der Löwenanteil der Betreuungs- und Hausarbeit noch immer von den Frauen erledigt wird. Bei der Betreuungsarbeit holen die jungen Väter auf, bei der Hausarbeit leider nicht. Kein Wunder, dass sich viele junge Mütter überfordert fühlen und dass der Burn-out in Familien zunimmt.
VdK-Zeitung: Babyschwimmen, Kinderenglisch, musikalische Früherziehung: Die Möglichkeiten, Kinder zu fördern, waren nie vielfältiger. Wie viel Förderung ist gesund – fürs Kind und für den Familienfrieden?
Lewicki: Ganz ehrlich: Kinder brauchen nichts davon. Das normale Aufwachsen in einer liebevollen Familie mit Kuscheln, Spielen, Vorlesen, gemeinsam Hausarbeit erledigen ist die beste „Förderung“ für ein Kind. Wenn es Eltern und Kind Spaß macht, ist natürlich gegen Babyschwimmen oder musikalische Früherziehung nichts zu sagen. Wer das nicht macht, braucht aber kein schlechtes Gewissen zu haben. Und was den frühen Spracherwerb betrifft: Der hat darauf, wie gut ein Kind später eine Sprache lernt, keinen Einfluss. Einzige Ausnahme: zweisprachige Erziehung in einer Familie, in der die beiden Partner unterschiedliche Muttersprachen haben. Aber das Geld fürs Frühenglisch kann man sich getrost sparen.
VdK-Zeitung: Haben Eltern aufgehört, ihren Instinkten zu vertrauen?
Lewicki: Es ist sehr schwer, auf seinen Bauch zu hören, wenn man permanent mit sich widersprechenden Informationen konfrontiert wird. Dabei gilt noch heute, was schon immer galt: Eltern sind DIE Experten für ihr Kind. Wenn sie sich in den ersten Monaten Zeit nehmen, ihr Kind gut kennenzulernen, wissen sie am besten, was gut für es ist. Auch beruhigend: Wer sein Kind liebt und ihm das zeigt, kann gar nicht so viel falsch machen. Es gibt nichts Einzigartigeres als die Beziehung einer Mutter und eines Vater zum Kind, und deshalb kann diese Beziehung auch ganz individuell gestaltet werden.
VdK-Zeitung: Wie wichtig sind Autorität und eine gewisse Abgrenzung zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden?
Lewicki: Sehr wichtig, denn Eltern und Kinder sind nun mal keine Verhandlungspartner. Eltern brauchen den Mut, sich bei ihren Kindern auch mal unbeliebt zu machen, gerade in der Pubertät. Dann verlangen Jugendliche, auch wenn sie sich dagegen auflehnen, nach Werten und klaren Ansagen. Beispiel: Natürlich möchte die 14-Jährige am liebsten bis Mitternacht ausgehen. Souveräne Eltern sagen hier nein, und zeigen ihrer Tochter damit, dass sie sie lieben und sich um sie sorgen. Sie werden staunen: Ganz tief drinnen verstehen die Kinder das – auch wenn sie erstmal mit der Tür knallen vor Wut.
VdK-Zeitung: Was hat Sie als erfolgreiche berufstätige Mutter all die Jahre davor bewahrt, selbst auf der Strecke zu bleiben?
Lewicki: In den ersten Jahren mit meinem Sohn und dem Job habe ich mich gar nicht der Illusion hingegeben, es könnte noch persönliche Freizeit für mich geben. Ich hatte ein tolles Kind und einen tollen Job, und das hat mir erstmal gereicht. Nach und nach kommen die Freiräume ja zurück. Ich kann allen jungen Eltern nur raten: Betrachtet die ersten Jahre als eine Art Boot Camp – einfach nur irgendwie durchkommen. Dann ist man nicht ständig enttäuscht, wenn es wieder nicht klappt mit der persönlichen Freizeit. Denn aus dieser Enttäuschung entstehen nur Stress und Streit mit dem Partner oder der Partnerin. Es kommen auch wieder andere Zeiten!
"Eltern" im Internet: www.eltern.de
Interview: Caroline Meyer
Schlagworte Interview | Erziehung | Kinder | Eltern | Marie-Luise Lewicki | Eltern-Magazin
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