1. März 2017
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Erwerbsminderung bleibt Armutsrisiko

Gesetzesvorlage: Nur Neurentner profitieren ab 2018 – Abschläge werden nicht abgeschafft

In den letzten Monaten der Legislaturperiode hat die Bundesregierung noch ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Situation von Erwerbsminderungsrentnern verbessern soll. Die angekündigten Maßnahmen „sind jedoch enttäuschend“, sagt VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.

Symbolfoto: Ältere Frau sieht sorgenvoll geradeaus. Im Hintergrund ist verschwommen eine jüngere Frau zu sehen.
Dass die Gesundheit nicht mehr mitspielt, kann jeden treffen. Erwerbsminderungsrentner müssen dann aber oft mit kleinen Einkommen leben. | © imago/Westend61

Wer heute eine Erwerbsminderungsrente bezieht und damit mehr schlecht als recht über die Runden kommt, dürfte vom „Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ frustriert sein. Denn der Mitte Februar vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf enthält für diese Gruppe der 1,8 Millionen Bestandsrentnerinnen und -rentner keinerlei Verbesserungen. Von den beschlossenen Änderungen werden nur Menschen profitieren, die ab 2018 eine Erwerbsminderungsrente bekommen.

Ab dann wird schrittweise bis 2024 die Zurechnungszeit um drei Jahre und damit der Rentenanspruch bei Neuanträgen erhöht. „Das ist mehr als enttäuschend“, erklärt VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Schließlich wäre es gerade für die heutigen Rentnerinnen und Rentner, die aufgrund einer schweren Krankheit oder Behinderung vorzeitig aus dem Beruf aussteigen mussten, am notwendigsten, deren Einkommenssituation zu verbessern.

40 Prozent der Menschen, die in Haushalten von Erwerbsminderungsrentnern leben, sind armutsgefährdet. Beim Erstbezug sind Erwerbsminderungsrentner im Durchschnitt erst 50 Jahre alt. Schon bei der Rentenreform 2014 waren Erwerbsminderungsrentner, die bereits in Rente waren, leer ausgegangen. „Sie fühlen sich von der Politik wieder einmal im Stich gelassen, denn ihnen droht weiterhin jahrzehntelang ein Leben in prekären Verhältnissen ohne finanzielle Perspektive“, kritisiert Mascher.

Bei der Mütterrente habe man aus guten Gründen die Bestandsrentnerinnen einbezogen, um Armut zu bekämpfen. „Bei der Erhöhung der Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderung sollte man genauso verfahren“, so die VdK-Präsidentin. Als „halbherzig“ bezeichnet Mascher aber auch das Verfahren der schrittweisen Anhebung der Zurechnungszeiten für künftige Rentenbezieher über sieben Jahre.

„Wenigstens hier sollte man sich am Rentenpaket 2014 orientieren. Die geplante Erhöhung sollte wie vor drei Jahren in einem Schritt erfolgen“, fordert die VdK-Präsidentin. Die geplanten Verbesserungen können ohnehin die wesentliche Armutsursache bei Erwerbsminderungsrentnern nicht wettmachen. Denn der größte Einkommensverlust entsteht durch die Rentenabschläge von bis zu 10,8 Prozent. Diese sollen aber bestehen bleiben. „Die Abschläge müssen komplett weg“, hält die VdK-Präsidentin dagegen, denn wer wegen Krankheit oder Behinderung seine Arbeit nicht mehr ausüben kann, hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns und darf deshalb nicht mit denselben Abschlägen belegt werden wie jemand, der freiwillig früher in Rente geht. Mascher bezeichnet diese Abschläge deshalb als „systemwidrig“.

Damit eine Erwerbsminderungsrente nicht „als günstigere Alternative“ zu einer vorzeitigen Altersrente in Betracht kommt, sollen die Abschläge beibehalten werden. Diese Argumentation der Bundesregierung nennt Mascher „realitätsfern“. Dazu seien die Hürden ohnehin zu hoch: „Eine Erwerbsminderungsrente gibt es ja nicht geschenkt. Aus unseren VdK-Beratungen wissen wir, dass die Betroffenen oft einen langen Leidensweg und eine wahre Ärzte- und Behörden- Odyssee hinter sich bringen müssen. Und viele Anträge werden dennoch immer wieder abgelehnt. Diese Menschen würden lieber arbeiten, als krank zu sein und sich dafür bestraft zu fühlen“, ist Mascher überzeugt. „Der VdK wird sich für weitere Verbesserungen einsetzen“, verspricht sie.

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bsc

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