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Geriatrie: Wie kann man wiederholte Krankenhausaufenthalte vermeiden?

Von: Annette Liebmann

Wiederholte Krankenhausaufenthalte sind für Betroffene eine große Belastung und verursachen hohe Kosten für die Krankenkassen. Was ist der “Drehtüreffekt” und wie kann ihm bei älteren Patientinnen und Patienten vorgebeugt werden?

Symbolbild: Ein älterer Patient sitzt in seinem Krankenhauszimmer auf seinem Bett, man sieht ihn in der Rückenansicht
© IMAGO / Petra Schneider

Auf einen Blick

  1. Drehtüreffekt betrifft viele ältere Menschen

    Etwa ein Drittel der Menschen über 65 wird innerhalb von drei Monaten nach einem Klinikaufenthalt erneut eingewiesen, vor allem bei Mehrfacherkrankungen und mangelnder Unterstützung. Kleine Auslöser wie Flüssigkeitsmangel können bereits zu einer erneuten Verschlechterung führen.

  2. Stärkere Selbstfürsorge und bessere Nachsorge sind entscheidend

    Geriatrische Frührehabilitation, aktivierende Pflege und individuelle Therapien können helfen, den Gesundheitszustand stabil zu halten. Rehaplätze sind jedoch knapp, was eine große Betreuungslücke hinterlässt.

  3. Angehörige und Hausärzte müssen einbezogen werden

    Eine gute Nachsorge beginnt idealerweise schon während des Klinikaufenthalts unter Einbindung von Familie, Hausärztinnen und -ärzten und Sozialdiensten. Erfolgreiche Modelle aus dem Ausland zeigen, dass so Wiederaufnahmen und Kosten reduziert werden können.

Jeder dritte ab 65 kommt erneut in die Klinik

Wie sich der sogenannte Drehtüreffekt, also Wiedereinweisungen nach einem Krankenhausaufenthalt, verhindern lässt, erläutert Professor Dr. Michael Denkinger, Präsident der Externer Link:Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und Leiter des Externer Link:Instituts für Geriatrische Forschung am Universitätsklinikum Ulm.

Jede dritte Patientin und jeder dritte Patient ab 65 Jahren kommt nach einem Krankenhausaufenthalt im Laufe von drei Monaten erneut in die Klinik. Das ist das Ergebnis der jüngsten Externer Link:AOK-Studie zu diesem Thema. „Vom Drehtüreffekt betroffen sind meist Patientinnen und Patienten, die ohnehin schon sehr geschwächt sind und mehr als eine Erkrankung haben“, sagt Professor Dr. Michael Denkinger. Ohne medizinisch-therapeutische Unterstützung sei es für diese Menschen schwierig, die Körperfunktionen in einem Gleichgewicht zu halten. „Dann reichen oft kleine Dinge aus, wie zum Beispiel, zu wenig zu trinken, dass es zu Hause nicht mehr geht.“

Behandlung ja, Heilung nein

Hinzu kommt, dass die Betroffenen in der Klinik zwar behandelt werden, bis sich ihr Zustand gebessert hat, sie aber nicht geheilt werden können. „Sind sie wieder auf sich gestellt, kommen die Beschwerden zurück – manchmal sogar schlimmer als zuvor“, so der Experte. 

Oft fehlt es an Wissen, wie man für sich selbst gut sorgen kann, sowie an der nötigen Disziplin oder Unterstützung, um eine Therapie konsequent umzusetzen. „Zum Beispiel kann es vorkommen, dass jemand Diuretika, die gegen Wassereinlagerungen im Körper helfen, nur zur Hälfte einnimmt und dann wieder absetzt“, berichtet Denkinger. Je mehr Erkrankungen jemand hat und je mehr Medikamente sie oder er einnehmen muss, desto schwieriger wird es, den Überblick zu behalten.

Selbstfürsorge stärken

Damit es nicht zu einer Wiedereinweisung kommt, ist es notwendig, die Selbstfürsorge der Betroffenen zu stärken, betont der Altersmediziner. Eine geriatrische Frührehabilitation kann helfen, wenn nach dem ersten Klinikaufenthalt eine Entlassung nach Hause nicht möglich und eine Reha wegen der noch bestehenden Symptome nicht denkbar ist.


„Pflegerische Unterstützung Externer Link:zu Hause oder iExterner Link:m Pflegeheim sollte immer die letzte Möglichkeit sein“, so Denkinger. Vielmehr sei es das Ziel, die Person so fit zu machen, dass sie die therapeutischen Elemente im Alltag umsetzen kann. Diese Aktivierung ist laut Denkinger wichtig, damit eigene Fähigkeiten nicht verloren gehen. 

Zu den Externer Link:Rehamaßnahmen gehören neben der medizinischen Behandlung je nach Bedarf Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, psychologische Unterstützung und soziale Betreuung. Die Wartezeiten für Rehamaßnahmen sind jedoch lang, die Zahl der Rehaplätze sinkt und ist angesichts der alternden Gesellschaft viel zu niedrig. „Hier gibt es eine echte Betreuungslücke“, weiß Denkinger. Eine wichtige Aufgabe kommt hier gut organisierten hausärztlichen Praxen mit geriatrischem Know-How zu. Ebenso sind immer öfter auch telemedizinische Lösungen gefragt.

Angehörige einbeziehen

Grundsätzlich ist es notwendig, dass Angehörige bereits im Krankenhaus in die Therapie miteinbezogen werden und die Nachsorge mit betreuenden Klinikärzten, dem Kliniksozialdienst und den Hausarztpraxen gemeinsam organisiert wird. In guten Kliniken beginnt das oft bereits am ersten Tag nach der Aufnahme. Dies ist besonders relevant, wenn betroffene Menschen zum Beispiel keine Angehörigen mehr haben oder im Zuhause auf Externer Link:Barrieren stoßen.

„Der Drehtüreffekt kann grundsätzlich vermieden werden“, sagt Denkinger. Er verweist auf ein Projekt in Dänemark, wo eine intensive Nachsorge vor Ort die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert. Gleichzeitig werden so Wiedereinweisungen vermieden und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verringert. 

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