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Zwei Generationen in einer WG

Von: Jörg Ciszewski

Für Studierende oder Azubis sind die Mieten häufig zu hoch. Ältere Menschen haben in ihren Wohnungen oft noch Platz. Der Verein „Sonay soziales Leben“ hilft mit dem Projekt „Generationen-WG“, eine Brücke zwischen Jung und Alt zu schlagen.

 Cornelia Stauß und Beate Meißner stehen nebeneinander auf dem begrünten Balkon der Berliner Wohnung.
Wenn es warm ist, verbringen Cornelia Stauß (links) und Beate Meißner gerne Zeit auf dem Balkon. © VdK/Jörg Ciszewski

Wohngemeinschaft mit knapp 50 Jahren Altersunterschied

Über den Dächern von Berlin-Schöneberg wohnen Cornelia Stauß und Beate Meißner in einer gemütlichen Wohnung mit Dielenfußboden, hohen Decken und Altbau-Flair gemeinsam in einer WG. Die beiden Frauen trennen fast 50 Jahre voneinander.

Die Österreicherin Beate Meißner ist 21 Jahre und macht eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in Berlin. Die 70-jährige Cornelia Stauß wohnt seit 1979 in der Stadt. Zusammen haben sie die erste Generationen-WG des Berliner Vereins Externer Link:„Sonay soziales Leben“ gegründet. Dass sie so gut miteinander zurechtkommen, haben sie beim Einzug im November vergangenen Jahres nicht erwartet.

Lebenserfahrung, Gelassenheit – und spannende Dinge

Beate Meißner schätzt an ihrer Vermieterin die Lebenserfahrung und bewundert deren Gelassenheit – zum Beispiel als kürzlich mitten in der Nacht aus unerklärlichen Gründen der Rauchmelder in ihrem Zimmer einen Höllenlärm machte und Cornelia Stauß ihn in aller Ruhe deaktivierte. Die Berlinerin freut sich wiederum, mit ihrer jungen Mitbewohnerin „noch einmal eine Lebensphase zu erleben, in der so viele spannende Dinge passieren“. Weil die beiden Frauen unterschiedliche Tagesabläufe haben, begegnen sie sich nicht ständig in der Küche, und es kommt auch zu keinen Wartezeiten morgens vor dem Bad. Aber wenn sie sich sehen, entsteht schnell ein Gespräch.

Dass die beiden sich gefunden haben, liegt an der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Stauß hielt Ausschau nach einer Mieterin für das schmucke 16 Quadratmeter große Zimmer mit Hochbett, um sich weiterhin die Miete leisten zu können. Und die junge Auszubildende suchte ein günstiges Zimmer. Dann kam der Verein von Jonas Deußer ins Spiel, der beide miteinander bekannt machte.

Cornelia Stauß und Beate Meißner sitzen an einem Holztisch, auf dem Kaffeebecher und ein Teller mit Keksen stehen.
Zeit für ein Gespräch: Cornelia Stauß (links) und Beate Meißner am Küchentisch. © VdK/Jörg Ciszewski

Große Nachfrage nach Wohngemeinschaften

Jonas Deußer hat Externer Link:„Sonay soziales Leben“ vor einigen Jahren gegründet, um die Begegnung von jungen und alten Menschen zu fördern. Das dreijährige Projekt „Generationen-WG“, das im Oktober 2024 gestartet ist, wird vom Senat und der Deutschen Fernsehlotterie-Stiftung unterstützt. Mittlerweile hat der Verein bereits neun Wohngemeinschaften vermittelt, fünf weitere befinden sich in der Anbahnung, sagt Deußer. Die Nachfrage ist groß.

Der 31-Jährige kommt aus einem kleinen Dorf in Hessen und hat in Berlin Soziale Arbeit studiert. Deußer ist bei seinen Großeltern aufgewachsen. „Mein Opa war Bauer und hat sein ganzes Leben gearbeitet. Bis er einen Schlaganfall hatte. Ich habe früher gedacht, wie schön es wäre, wenn er im Rollstuhl jungen Leuten erklären könnte, wie man Kartoffeln anpflanzt“, erzählt Deußer. Als er nach Berlin kam, habe er festgestellt, dass Junge und Ältere nur sehr selten zusammenkommen – obwohl sie einander viel geben können. Mit seinem Verein, der auch andere Generationen-Projekte organisiert, will er das ändern.

Ruhig, aber trotzdem nicht allein

Beate Meißner bezahlt für ihr WG-Zimmer 430 Euro, für Berliner Verhältnisse ein Schnäppchen. „Als Verein ist uns wichtig, dass die Miete fair ist“, erklärt Deußer. „Wer bei uns eine Wohnung vermietet, muss sich an den Berliner Mietspiegel halten. Die Miete berechnen wir mit den Personen gerne zusammen.“ Wichtig sei, dass es menschlich passt.

Meißner und Stauß haben vor ihrer ersten Begegnung von Deußer 25 Fragen erhalten, die sich um ihre Vorstellungen zum Zusammenleben in einer WG drehten. Die Übereinstimmung in den Antworten war sehr groß. Es kam zu einem ersten Treffen, an dem auch Jonas Deußer teilnahm. Schnell war klar, dass zwischen den beiden Frauen die Chemie stimmt und einem Untermietvertrag nichts im Weg steht.

Genauso wie Cornelia Stauß hat auch die junge Österreicherin schon in WGs gelebt – allerdings mit Gleichaltrigen. „Das Schöne ist, wenn ich jetzt nach Hause komme, ist es ruhig, aber ich bin trotzdem nicht allein“, sagt sie  – und Cornelia Stauß nickt ihr zustimmend zu.

Verein "Sonay soziales Leben"

Den Verein „Sonay soziales Leben“ gibt es seit dem Jahr 2022, die Generationen-WG seit 2024. Mehr erfahren:

Sonay soziales Leben e. V.
Externer Link:www.sonaysozialesleben.org
Telefon: 030 84426923, telefonische Sprechzeiten: Montag-Donnerstag jeweils 10-14 Uhr
E-Mail: Externer Link:info@sonaysozialesleben.de

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