Vorschläge zur Abschaffung von Pflegegrad 1 verunsichern Pflegebedürftige

Von: Julia Frediani

Öffentliche Diskussionen über die Abschaffung des Pflegegrads 1 haben im letzten Monat viele Pflegebedürftige verunsichert. Der Sozialverband VdK lehnt eine Streichung klar ab. 

Fotomontage: Ein älterer Mann hält ein Schild mit dem durchgestrichenen Schriftzug: Pflegegrad 1. Das Symbolbild steht für die Abschaffung des Pflegegrads 1.
Mittlerweile wohl vom Tisch: Die Idee zur Abschaffung des Pflegegrads 1. Der VdK hatte sich sehr deutlich dagegen ausgesprochen. © IMAGO / Bihlmayerfotografie

VdK: Extreme Strenge gegenüber den Schwachen

Anfang Oktober wurde ein Vorschlag öffentlich, nach dem der Pflegegrad 1 abgeschafft werden soll. Von einer möglichen Streichung wären rund 860.000 pflegebedürftige Menschen betroffen.

VdK-Präsidentin Verena Bentele weist solche Überlegungen zurück: „Die Vorschläge zeugen von extremer Strenge gegenüber den Schwachen und Schwächsten unserer Gesellschaft und Ignoranz gegenüber den Realitäten in unserem Land.“

Vorschlag ist wohl vom Tisch

Diese Idee ist nach neuen Zwischenergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wohl vom Tisch. Die Unterscheidung nach Pflegegraden soll grundsätzlich beibehalten werden. Aber es soll geprüft werden, ob sich die Pflegeversicherung ausschließlich auf Pflegeleistungen und die „damit in Zusammenhang stehende Unterstützungen als ihre originäre Aufgabe“ konzentrieren solle, so die Arbeitsgruppe. 

Das kann heißen, dass hauswirtschaftliche und andere Unterstützungsleistungen erneut diskutiert werden. Zudem soll bei den Pflegegraden 1 bis 3 geprüft werden, ob die Schwellenwerte erhöht werden – also ab wann welcher Pflegegrad vorliegt. Damit würde der Zugang zu den Pflegegraden erschwert werden.

Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe beantwortet wichtige Fragen nicht

Der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine Reform der Pflegeversicherung kann nach Ansicht des VdK wichtige Fragen zur Zukunft der Pflegeversicherung nicht beantworten. „Er lässt offen, wie die Pflegeversorgung in Deutschland gesichert werden soll, wenn einerseits die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigt und andererseits Fach- und Arbeitskräfte knapp werden. Die Folgen einer lückenhaften Versorgung tragen letztlich pflegende Angehörige, Zugehörige und die Pflegebedürftigen selbst“, sagt Bentele.

Sie fordert, dass endlich klare Zuständigkeiten bei der Sicherstellung der Pflegeversorgung definiert und weitreichende Reformen für eine stabile Finanzierung der Pflege eingeleitet werden. „Kleinteiliges Justieren bei den Pflegegraden und damit verbundene höhere Hürden sowie Einschränkungen bei der Nutzung des Entlastungsbetrags sind keine ausreichenden Antworten“, sagt Bentele. 

Ein Senior sitzt auf einem Sofa, schaut in die Ferne. Eine jüngere Frau, vielleicht seine Tochter, steht hinter ihm und hat liebevoll die Arme um ihn gelegt.
Kategorie Aktuelle Meldung Pflege Pflegeversicherung

Pflegegrad 1 abschaffen? – Warum das keine gute Idee ist

Kosten senken auf dem Rücken der Schwächsten: Die Bundesregierung denkt offenbar darüber nach, den Pflegegrad 1 zu streichen. Dies würde mehr als 860.000 Betroffene hart treffen. Der Sozialverband VdK spricht sich klar dagegen aus.

Viele VdK-Mitglieder sind verunsichert

Der VdK befürchtet, dass solche Einschränkungen zur Folge hätte, dass viele ältere Menschen schneller ihre Eigenständigkeit verlieren könnten. Nach der Einführung des Pflegegrads 1 im Jahre 2017 konnte der VdK beobachten, welche positiven Folgen diese niederschwelligen Hilfen in den Pflegegraden 1 und 2 hatten. Da hier Prävention und Rehabilitation im Fokus stehen, konnten beispielsweise schwerere Formen einer Pflegebedürftigkeit hinausgezögert oder verhindert werden.

Viele VdK-Mitglieder hat die Diskussion stark verunsichert. In Zuschriften äußern sie ihren Unmut und ihre Ängste  über die politischen Diskussionen. Mitglieder kritisieren, die Regierung wolle bei den „Schwachen und Kranken in der Gesellschaft“ sparen. Auch haben Mitglieder resigniert gefragt, wie es in ihrem Alltag  weitergehen soll, wenn es noch schwieriger werden sollte, über die Pflegeversicherung haushaltsnahe Hilfeleistungen zu erhalten.