"Schnapsidee": Sozialverband VdK stellt sich gegen sozialen Pflichtdienst für Senioren

Von: Jörg Ciszewski

Ein soziales Pflichtjahr für Rentner? Der VdK lehnt diesen Vorschlag ab. Statt Ältere ständig in die Pflicht zu nehmen, muss ihre Lebensleistung anerkannt werden. Millionen engagieren sich längst ehrenamtlich. Worum geht es bei der Debatte?

Seniorin mit zwei Kindern, sie üben Lesen, vor ihnen liegt ein Ordner mit Arbeitsblättern.
Längst engagiert: Viele Rentnerinnen und Rentner in Deutschland engagieren sich längst für ein soziales Miteinander – sei es für die eigenen Enkelkinder oder im Rahmen eines Ehrenamtes. © IMAGO / Sabeth Stickforth

Vorschlag sorgt für viel Kritik: Worum geht es?

Der Präsident des Externer Link:Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, hat ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner vorgeschlagen. Seiner Meinung nach würde die Last des demografischen Wandels zu stark auf die jüngere Generation abgewälzt. Die Älteren müssten sich stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich oder bei der Verteidigung, sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Externer Link:Spiegel (Abo-Inhalt)“.

Das Foto zeigt Verena Bentele, sie sitzt in einem grauen Sessel und hat einen Arm auf der Lehne abgelegt

Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen.

Verena Bentele, VdK-Präsidentin

Soziales Pflichtjahr für Rentner: Was sagt der VdK dazu?

Der Sozialverband VdK lehnt diese Idee rundweg ab. „Ich halte ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner für eine Schnapsidee“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Es entstehe mehr und mehr der Eindruck, dass Rentnerinnen und Rentner für das zur Verantwortung gezogen werden sollen, was in unserer Gesellschaft nicht funktioniert. „Das ist nicht in Ordnung. Viele ältere Menschen fühlen sich durch immer neue Vorschläge wie den Boomer-Soli oder jetzt das soziale Pflichtjahr als Sündenböcke.“

Vor einigen Wochen hatte das DIW bereits mit seinem Vorschlag nach einem Boomer-Soli deutliche Kritik vonseiten des VdK hervorgerufen: 

Sich aufrollende Euro-Scheine und ein Verkehrsschild, auf dem "Boomer-Soli" steht.
Kategorie Rente Armut & Umverteilung

Was ist der „Boomer-Soli“ und was sagt der VdK dazu?

Ein „Boomer-Soli“ sorgt für Diskussion: Wohlhabende Rentner sollen laut DIW-Vorschlag eine Sonderabgabe zahlen, um ärmere Rentner zu entlasten. Der VdK hält dagegen – und fordert eine gerechte Besteuerung großer Vermögen.

Viel Engagement für sozial gerechtes Miteinander

Der VdK hält nichts von den ständig neuen Diskussionen darüber, dass Rentnerinnen und Rentner sich stärker einbringen müssen. Solche Forderungen schmälern die Lebensleistung viele Älterer.

VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Wir als VdK haben eine ganz andere Wahrnehmung: Millionen von älteren Menschen kümmern sich aufopferungsvoll um pflegebedürftige Familienangehörige oder um die Enkel, oder sie bringen sich ehrenamtlich in Vereinen oder Verbänden ein. Sehr viele übernehmen somit schon heute einen wichtigen Beitrag für eine solidarische Gesellschaft. Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen.

Wir haben im VdK zehntausende Rentnerinnen und Rentner, die sich ehrenamtlich für ein sozial gerechtes Miteinander einbringen, so wie sie es können. Das ist die Realität. Da braucht es kein verordnetes soziales Pflichtjahr.“

In den Medien wurde die Kritik des VdK breit aufgegriffen:
 

Medienecho: VdK zum Pflichtjahr

  • Tagesschau

    VdK zur Forderung nach sozialem Pflichtjahr für Rentner

    Verena Bentele, VdK-Präsidentin, lehnt die Forderung von Marcel Fratzscher nach einem sozialen Pflichtjahr für Seniorinnen und Senioren entschieden ab: „Ganz offensichtlich ist, dass Rentnerinnen und Rentner heute schon sehr viel tun, sie haben viele Aufgaben für die Gesellschaft in der Enkelbetreuung, sie arbeiten teilweise noch weiter, weil sie das Geld brauchen, manche sind aber auch einfach gesundheitlich nicht so fit (…). Und deshalb ist dieser Vorschlag überhaupt nicht zielführend und hat keinen Respekt vor der Lebensleistung älterer Menschen”, erklärte sie in der ARD-Tagesschau. 

  • Süddeutsche Zeitung

    Kritik an Fratzscher-Vorstoß

    Sozial- und Seniorenverbände haben die mögliche Einführung eines sozialen Pflichtjahres für Rentner kritisiert. „Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen“, sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK.

  • WELT online

    „Dümmlich“, „respektlos“ – Sozialverbände laufen Sturm gegen Vorstoß zu Pflichtjahr für Rentner

    (…) Laut Bentele pflegen viele Rentner Familienangehörige oder kümmern sich um Enkel, damit Eltern arbeiten können. Andere engagierten sich in Vereinen und Initiativen und handelten so im Sinne einer solidarischen Gesellschaft. „Da braucht es kein verordnetes soziales Pflichtjahr“, so Bentele.