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Schwieriger Spagat zwischen Pflege und Beruf

Von: Jörg Ciszewski

Pflegende Angehörige müssen Betreuung und Beruf oft schwer vereinbaren. Eine Expertin erklärt, worauf es bei guten Lösungen und Gesprächen mit Arbeitgebern ankommt – und wie man Altersarmut vorbeugen kann.

Eine Frau macht einen Spagat am Strand. Ihr gesicht sieht angestrengt und konzentriert aus. Ihre Hände berühren ihre Fußrücken, sie beugt sich weit nach vorne.
© IMAGO / Westend61

Pflegende Angehörige brauchen Geld, kein Mitleid

Ein Pflegebedarf kann sich langsam entwickeln. Er kann aber auch unerwartet auftreten – durch einen Unfall oder eine plötzliche Krankheit. „Über die Angehörigen bricht in solchen Fällen oft ein Tsunami herein“, weiß Katrin Wilkens aus eigener Erfahrung. „Man weiß nicht, was man zuerst tun soll: Pflegegeld beantragen, Testament, Zuhören oder eine Vorsorgevollmacht? Was dabei logischerweise oft auf der Strecke bleibt, ist das eigene Leben. Man kümmert sich ja jetzt noch ganz intensiv um einen anderen Menschen.“

Wilkens hat sechs Jahre ihren Mann gepflegt, der an einer Form von Externer Link:Alzheimer litt. Für sie war es in dieser Lebensphase sehr wichtig, ihren Beruf als Journalistin nicht ganz aufzugeben. „Auch wenn es sich nach noch einem Ball anhört, den man in der Luft halten muss, kann der Beruf ein kleiner Ausweg in die Normalität, das Gesunde, die Welt sein“, sagt sie. „Außerdem“, fügt sie hinzu, „brauchen pflegende Angehörige kein Mitleid. Sie brauchen vielmehr Geld, um den Alltag zu wuppen.“

Wilkens berät heute als Coach Mütter und pflegende Angehörige, die den Beruf nicht aufgeben wollen oder es sich nicht leisten können. Sie hilft dabei, den jeweils zur Lebenssituation passenden Job zu finden oder gibt Tipps, wie sich der vorhandene Beruf anpassen lässt. 

Transparent mit dem Arbeitgeber verhandeln

Sie erinnert sich an eine Lehrerin, die zu ihr gekommen ist, weil ihr Vater an Parkinson erkrankt war. Die Frau überlegte, den Schuldienst zeitweise an den Nagel zu hängen. „Das wäre als Beamtin problemlos gegangen. Aber neben dem fehlenden Einkommen hätte ihr eine zweite Währung gefehlt: die des unbeschwerten Kinder-Chaos-Alltags“, erzählt Wilkens. Die Frau habe dann mit der Direktorin besprochen, keine Klassenleitung zu übernehmen und hauptsächlich als Vertretungslehrerin eingesetzt zu werden – also keine Klassenarbeiten korrigieren zu müssen. Mittags war sie zu Hause und konnte nachmittags zu ihrem Vater gehen. Für sie eine gute Lösung. „Die Schule bezeichnet sie als ihre Nabelschnur zum Leben“, sagt Wilkens. 

Externer Link:Pflegenden Angehörigen, die mit ihren Arbeitgebern über eine Arbeitszeitanpassung reden wollen, rät sie, „unbedingt transparent“ zu verhandeln. Es gebe Studien, die darlegen, dass man als pflegender Angehöriger wegen der Belastung durch die Sorgearbeit gut ein Drittel seiner Arbeitskraft zeitweise verliert. „Wenn der Chef den Grund nicht kennt, kann er darauf auch keine Rücksicht nehmen.“

Doch Arbeitszeit zu reduzieren, birgt immer auch die Gefahr, später zu wenig Rente zu bekommen. Wilkens plädiert deshalb dafür, in einer Pflegesituation genau durchzurechnen, welche finanziellen Abstriche möglich sind: „Wieviel Geld brauche ich für das Alter, wieviel erbe ich möglicherweise, wieviel muss ich für meine eigene, eventuell aufkommende Pflegezeit zurücklegen, damit meine Kinder dafür nicht aufkommen müssen?“  Manchmal, so Wilkens, gebe es aber auch smarte Kompromisslösungen, die der Arbeitgeber mitträgt, zum Beispiel den Anteil des Homeoffice zu erhöhen.

Broschüre „Bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“

Für eine erste Sichtung der Möglichkeiten für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf lohnt auch der Blick auf die Gesetzeslage. Wer mehr über bestehende Regelungen wissen möchte, findet grundlegende Informationen in einer aktuellen Broschüre des Bundesfamilienministeriums. 

Die Publikation mit dem Titel „Bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ lässt sich kostenlos auf der Webseite des Ministeriums herunterladen. Dort wird unter anderem erläutert, was unter Begriffen wie Pflegeunterstützungsgeld und Familienpflegezeit zu verstehen ist oder welche Rechte Angestellte im Fall einer akuten Pflegesituation haben. 

Externer Link:Hier geht es zum Download der Broschüre auf der Website des BMFSFJ

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