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Pflegegrad 1 abschaffen? – Warum das keine gute Idee ist

Von: Christina Liebeck

Kosten senken auf dem Rücken der Schwächsten: Die Bundesregierung denkt offenbar darüber nach, den Pflegegrad 1 zu streichen. Dies würde mehr als 860.000 Betroffene hart treffen. Der Sozialverband VdK spricht sich klar dagegen aus.

Ein Senior sitzt auf einem Sofa, schaut in die Ferne. Eine jüngere Frau, vielleicht seine Tochter, steht hinter ihm und hat liebevoll die Arme um ihn gelegt.
Möglichst lange selbstständig in den eigenen vier Wänden bleiben: Für viele Menschen mit geringem Pflegebedarf möglich, wenn sie die passende Unterstützung erhalten. © IMAGO / Westend61

Darum geht es bei der Debatte

Am Wochenende berichtete zunächst die „BILD”-Zeitung von Plänen der Bundesregierung, bei der Pflege zu sparen: Geprüft wird demnach die Abschaffung des Pflegegrads 1. Betroffen wären von dieser Spar-Idee mehr als 860.000 Pflegebedürftige. Laut Berechnungen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung würden die Einsparungen durch die Streichung der Leistungen für diesen Personenkreis etwa 1,8 Milliarden Euro betragen. 

Was ist der Pflegegrad 1 und auf welche Leistungen hat man Anspruch?

Die Pflegebedürftigkeit wird auf Antrag bei der Pflegeversicherung durch den Externer Link:Medizinischen Dienst (MD) ermittelt und in Pflegegraden von 1 bis 5 bemessen. Pflegegrad 1 ist der niedrigste Pflegegrad, betrifft also Menschen mit relativ geringen Einschränkungen. 

Wer Pflegegrad 1 hat, hat keinen Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen.

Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 haben Anspruch auf einen Zuschuss von bis zu 4.180 Euro für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, beispielsweise für den Einbau einer barrierefreien Dusche oder eines Treppenlifts. 

Darüber hinaus haben Betroffene Anspruch auf den sogenannten Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro pro Monat. Über den Entlastungsbetrag können folgende Leistungen in Anspruch genommen werden:

  • Tages- oder Nachtpflege
  • Ambulante Pflege und Betreuung
  • Kurzzeitpflege
  • Angebote zur Unterstützung im Alltag nach Landesrecht (z.B. Haushaltshilfe, Betreuung)

Weitere Ansprüche sind die auf 42 Euro pro Monat für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel sowie für 25,50 Euro monatlich für einen Hausnotruf.

Zusammenfassend kann man sagen, dass im Pflegegrad 1 hauptsächlich die Selbständigkeit erhalten werden soll durch niedrigschwellige Leistungen. So ermöglichen sie den Betroffenen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen, statt in ein Pflegeheim umzuziehen. Nicht zuletzt entlasten die Leistungen im Pflegegrad 1 auch die pflegenden Angehörigen. Denn rund 85 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause gepflegt. Mit Pflegegrad 1 können Betroffene und Angehörige übrigens Beratungsangebote und Pflegekurse wahrnehmen.

Mehr Informationen zu den Leistungen für Pflegebedürftige finden Sie in unserem Herunterladen:kostenlosen Ratgeber Nächstenpflege (PDF, 1.59 MB, Datei ist barrierefrei ⁄ barrierearm).

Was sagt der VdK zum Vorschlag?

Der VdK lehnt Ideen für eine Abschaffung des Pflegegrads 1 klar ab. VdK-Präsidentin Verena Bentele kommentierte den Sparvorschlag: „Die Regierung muss aufpassen, dass vom Herbst der Reformen am Ende nicht ein Externer Link:Herbst des Kahlschlags bleibt: die Vorschläge zeugen von extremer Strenge gegenüber den Schwachen und Schwächsten unserer Gesellschaft und Ignoranz gegenüber den Realitäten in unserem Lande. Die Streichung der Pflegestufe 1 wird vielen Seniorinnen und Senioren die dringend benötigte Alltagshilfen nehmen, mit deren Unterstützung sie ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden verbringen können.“

Denn: Zwar ist die Zahl der Pflegebedürftigen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Doch das hat auch positive Gründe. Pflegebedürftigkeit wird über die Pflegegrade besser erfasst. Dass mehr Betroffene Leistungen beanspruchen können, ist für den Sozialverband VdK ein Fortschritt. 

Die Entwicklung zeigt, dass Betroffene früher im Pflegesystem erfasst werden: Damit können sie rechtzeitig besser versorgt werden, weil in den niedrigen Pflegegraden Prävention und Rehabilitation in den Fokus rücken. Das kann schwere Pflegebedürftigkeit hinauszögern oder ganz verhindern. Dass Pflegebedürftige in vielen Fällen dadurch länger Externer Link:selbstständig zu Hause leben können, ist aus Sicht des VdK eine positive Entwicklung. Unter anderem werden so deutlich höhere Kosten für die stationäre Versorgung im Externer Link:Pflegeheim vermieden oder hinausgezögert. 

Umbaumaßnahmen für ein barrierefreies Wohnumfeld, die bei Pflegegrad 1 bezuschusst werden, verhindern den drohenden Verlust der Selbstständigkeit – und beispielsweise auch Unfälle oder Stürze in den eigenen vier Wänden, die zu einer schweren Pflegebedürftigkeit führen können. 

Der VdK hat einen Vorschlag, wie die Pflegekasse finanziell entlastet werden könnte: 5,2 Milliarden Euro aus der Pflegeversicherung wurden während der Corona-Pandemie für andere Zwecke eingesetzt. Eine Rückzahlung durch die Bundesregierung steht bislang aus. Der VdK wird zu dieser Externer Link:zweckwidrigen Verwendung von Pflegegeldern Musterklagen führen.

Ein alter Mann sitzt auf der Kante seines Bettes, man sieht nur seine nackten Unterschenkel, die Füße stecken in beigen Filzpantoffeln.
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Mehr Pflegebedürftige nehmen Leistungen in Anspruch

Die Zahl der Pflegebedürftigen ist deutlich gestiegen. Das hat auch positive Gründe: Pflegebdürftigkeit wird über die Pflegegrade besser erfasst. Dass mehr Betroffene Leistungen beanspruchen können, ist für den Sozialverband VdK ein…

VdK in den Medien

  • MDR

    Streichung von Pflegegrad 1 würde Angehörige belasten – Bentele lehnt das ab

    Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, lehnt eine Abschaffung des Pflegegrads 1 ab. Sie sagte bei MDR AKTUELL, es sei nicht damit getan, nur diesen Pflegegrad zu streichen. Es müsse vielmehr darum gehen, das Gesundheits- und Pflegesystem anders aufzustellen. 

  • Berliner Morgenpost

    Wackelt Pflegegrad 1? Verbände warnen vor „fatalen Folgen“

    (…) Die Präsidentin des Sozialverbands VdK sieht es ähnlich. Die Vorschläge zur Reform der Sozialsystem würden „von extremer Strenge gegenüber den Schwachen und Schwächsten unserer Gesellschaft und Ignoranz gegenüber den Realitäten in unserem Lande“ zeugen, sagte Verena Bentele. Die Streichung aller Leistungen im Bürgergeld sei verfassungswidrig, die Streichung der Pflegestufe 1 werde vielen Seniorinnen und Senioren „die dringend benötigte Alltagshilfen nehmen, mit deren Unterstützung sie ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden verbringen können“, so die VdK-Chefin.