Pflegebedürftigkeit: Wie selbstständig bin ich noch im alltäglichen Leben?
Pflegebedürftigkeit wird seit Anfang des Jahres 2017 nach einem neuen System bewertet – Punkte werden in sechs Bereichen vergeben
Begutachtung durch den Medizinischen Dienst
Die Zahl der Menschen, die Leistungen der Pflegeversicherung bekommen, wächst. Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 können auch hilfsbedürftige Menschen Unterstützung im Alltag bekommen, die bisher keinen Anspruch hatten. Denn die Pflegebedürftigkeit wird jetzt anders bewertet als bisher.
Die neue Begutachtung erfasst alle Dimensionen der Pflegebedürftigkeit. Neuer Kernbegriff für die Messung der Pflegebedürftigkeit ist der Grad der Selbstständigkeit. Die Gutachter vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDKkurz fürMedizinischer Dienst der Krankenversicherung; Anmerkung der Redaktion: heute nur noch “MD” für Medizinischen Dienst) fragen: Was kann der Mensch noch alleine? Wobei muss er unterstützt werden? Was muss getan werden, um seine Selbstständigkeit möglichst zu erhalten?
Unter Selbstständigkeit versteht man die Fähigkeit eines Menschen, eine Aktivität alleine – also ohne Unterstützung eines anderen – ausführen zu können. Selbstständig ist auch, wer eine Handlung mit einem Hilfsmittel umsetzen kann. Wenn sich jemand beispielsweise innerhalb seiner Wohnung mit einem Rollator fortbewegen kann und dabei keine Unterstützung durch eine andere Person braucht, dann ist er selbstständig.
Bei der Begutachtung kommt es nicht mehr darauf an, festzustellen, wie viele Minuten Hilfebedarf ein Mensch beim Waschen und Anziehen oder beim Essen hat. Dazu werden seine Fähigkeiten in acht Lebensbereichen begutachtet, in die Bewertung fließen aber nur sechs ein. Außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung haben keinen Einfluss auf die spätere Bewertung des MDKkurz fürMedizinischer Dienst der Krankenversicherung.
Diese sechs Lebensbereiche fließen ein
Zu den sechs Bereichen gehören jeweils verschiedene Unterpunkte mit unterschiedlichen Fragestellungen. Hier einige Beispiele:
- Mobilität: Kann ich mich selbstständig im Bett umdrehen, sitzen und aufstehen, von einem Zimmer ins andere gehen oder mich alleine mit einer Gehhilfe in meiner Wohnung bewegen? Kann ich Stufen und Treppen steigen?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Finde ich mich zeitlich und örtlich zurecht, verstehe ich Informationen, kann ich Entscheidungen treffen, Bedürfnisse mitteilen und Gespräche führen?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie häufig benötige ich Hilfe aufgrund von psychischen Problemen, beispielsweise bei Angstzuständen, nächtlicher Unruhe oder aggressivem Verhalten?
- Selbstversorgung: Wie selbstständig kann ich mich im Alltag versorgen, beim Waschen des Körpers und der Haare, Kämmen, An- und Ausziehen, beim Essen oder Trinken, beim Toilettengang?
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen: Welche Unterstützung brauche ich bei der Medikamenteneinnahme, bei Verbandswechsel und bei Arztbesuchen?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann ich meinen Tagesablauf gestalten oder soziale Kontakte pflegen?
Übersicht Pflegegrade
Die Zuordnung zu einem Pflegegrad erfolgt anhand eines Punktesystems. Je mehr Punkte, desto höher der Pflegegrad. Entsprechend ihrer Bedeutung für den Alltag fließen die Ergebnisse aus den einzelnen Bereichen unterschiedlich stark in die Berechnung des Pflegegrades ein.
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (12,5 bis unter 27 Punkte)
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (27 bis unter 47,5 Punkte)
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (47,5 bis unter 70 Punkte)
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (70 bis unter 90 Punkte)
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (90 bis 100 Punkte)