
Interview: „Eine Altersdepression ist sehr gut behandelbar“
Dr. Forugh Salimi Dafsari leitet die Spezialambulanz Altersdepression an der Uniklinik Köln. Sie erklärt im Interview mit dem VdK, warum eine Depression bei älteren Menschen oft nicht erkannt wird.

Psychische Erkrankungen wie Depressionen sind unter älteren Menschen oft noch ein Tabuthema. Dabei gibt es gerade im höheren Alter einige Faktoren, die den Ausbruch einer Depression begünstigen. Der VdK sprach mit Dr. Forugh Salimi Dafsari, Leiterin der ersten Externer Link:Spezialambulanz für Altersdepressionen an der Universitätsklinik Köln, über Symptome, Behandlungserfolge und darüber, wie gefährlich eine unentdeckte Depression sein kann.
Sind ältere Menschen anfälliger für eine Depression?
Dr. Forugh Salimi Dafsari: Grundsätzlich können Depressionen in jedem Lebensabschnitt auftreten. Je nach Alter und Geschlecht verzeichnen wir bei Menschen über 60 Jahren für die Altersdepression Häufigkeiten von zehn bis 30 Prozent. Bei Frauen ist die Zahl sogar doppelt so hoch, und in Pflegeeinrichtungen liegt sie bei circa 40 Prozent. Im höheren Alter ist die Depression neben der Demenz die häufigste psychische Erkrankung.
Was können Ursachen für eine Altersdepression sein?
Dr. Dafsari: Einige Patientinnen und Patienten haben eine genetische Veranlagung für Depressionen. Das heißt, die Erkrankung kommt in der Familie gehäuft vor. Somit besteht auch ein erhöhtes Risiko, selbst im Verlauf des Lebens daran zu erkranken.
Es gibt körperliche und psychosoziale Risikofaktoren für die Entwicklung einer Altersdepression. Körperliche Risikofaktoren liegen vor, wenn jemand bereits erkrankt ist, zum Beispiel an Parkinson, einer Schilddrüsenerkrankung oder an Diabetes mellitus.
Zudem wissen wir, dass etwa jede vierte Person nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt. Einfluss können auch der Tod nahestehender Personen, der Verlust der Tagesstruktur, etwa durch den Eintritt in die Rente oder die Pflege von kranken Angehörigen, haben. Ein weiterer Risikofaktor ist Einsamkeit.

Warum bleibt eine Depression bei Älteren häufig unentdeckt?
Dr. Dafsari: Das hat mit der Symptomatik zu tun. Bei Depressionen denkt man an die üblichen Kernsymptome: gedrückte Stimmung, verminderter Antrieb und die Unfähigkeit, Freude zu empfinden. Ältere Patientinnen und Patienten leiden im Gegensatz zu jüngeren aber häufiger unter körperlichen Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit, Schwindel oder Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Wegen dieser Beschwerden gehen sie oft erst zum Hausarzt und werden dann an andere Facharztpraxen überwiesen, bevor sie den Weg zu uns in die Spezialambulanz finden.
Gibt es weitere Gründe dafür, warum eine Depression bei Älteren übersehen werden kann?
Dr. Dafsari: Sicher tragen auch klassische Altersstereotype dazu bei, dass Depressionen oft nicht erkannt und die Patientinnen und Patienten erst spät behandelt werden. Das hängt in der Tat mit unserem Blick auf das Altern zusammen, der oft defizitorientiert ist. Wir verbinden damit Gebrechlichkeit, Krankheit, eingeschränkte Mobilität, Vergesslichkeit. Das kann dazu beitragen, dass die Symptome einer Depression als normaler Alterungsprozess fehlinterpretiert werden.
Hinzu kommt, dass gerade unter älteren Menschen die Depression noch immer eine Erkrankung ist, die mit einem gesellschaftlichen Stigma versehen ist. Viele schämen sich, Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, weil sie fürchten, als schwach abgestempelt zu werden.
Was ist bei der Behandlung älterer Menschen zu beachten?
Dr. Dafsari: Die Suizidrate bei Menschen mit Depressionen im höheren Lebensalter ist sehr hoch. Männer im Alter von 75 Jahren haben ein 20-fach höheres Suizidrisiko als jüngere Frauen. Es ist also nicht nur eine Erkrankung, die die Lebensqualität deutlich einschränkt, sondern sie geht auch mit einem hohen Suizidrisiko einher.
Eine unbehandelte Depression erhöht zudem das Risiko, später im Leben eine Demenz zu entwickeln. Deshalb ist das frühe Erkennen und Behandeln so wichtig.
Außerdem müssen Medikamentenwechselwirkungen und Nebenwirkungen berücksichtigt werden, da im höheren Alter häufiger auch Medikamente gegen andere, körperliche Erkrankungen eingenommen werden.
Wie groß ist die Chance, dass die Behandlung einer Altersdepression erfolgreich ist?
Dr. Dafsari: Die Altersdepression ist sehr gut behandelbar. Die Chance, durch eine spezifische Behandlung vollkommen gesund zu werden, ist sehr hoch. Die Art der Behandlung hängt stark vom Schweregrad der Depression, von den Begleiterkrankungen und den individuellen Voraussetzungen der Betroffenen ab. Manche Patienten sind so schwer erkrankt, dass sie stationär behandelt werden müssen. Bei anderen ist eine regelmäßige ambulante Behandlung möglich, wie wir sie in unserer Spezialambulanz für Altersdepression anbieten.
Je nach Schweregrad der Depression ist eine medikamentöse Behandlung, eine Psychotherapie oder eine Kombination aus beidem sinnvoll. Es steht eine Reihe von Antidepressiva zur Verfügung, die sich bei der Altersdepression als sehr wirksam erwiesen haben und die im hohen Alter gut verträglich sind. Es zeigt sich, dass Psychotherapie auch im höheren Lebensalter hochwirksam ist.
Wir haben gesehen, dass schon eine achtwöchige Psychotherapie zu einer langfristigen Besserung der depressiven Symptomatik führen kann. Die Psychotherapie wird an die Bedürfnisse der älteren Menschen angepasst, denn es gibt keine Schablone, die wir auf alle depressiven Patienten gleichermaßen anwenden können. Anders als bei jüngeren Patienten stehen bei älteren vor allem Themen wie Einsamkeit, körperliche Beeinträchtigungen und der Rückblick auf das eigene Leben im Vordergrund.
Wie lässt sich einer Altersdepression vorbeugen?
Dr. Dafsari: Ein gutes soziales Netzwerk und Aktivitäten, die Freude bereiten, sind die beste Grundlage, um im höheren Alter keine Depression zu entwickeln. Dabei kommt es nicht auf die Größe des Netzwerks an, sondern auf die Qualität der Kontakte. Mit zunehmendem Lebensalter stellt sich oft die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Dem lässt sich vorbeugen, wenn jemand schon frühzeitig neben dem Beruf Hobbys entwickelt, die erfüllend sind. Depressionen können auch im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen. Deshalb sind ein gesunder Lebensstil und körperliche Aktivitäten sehr wichtig.
Von Patientinnen und Patienten weiß ich, dass insbesondere ehrenamtliche Tätigkeiten sehr sinnstiftend sein können. Durch ihr Engagement erfahren sie Wertschätzung, und es entstehen häufig auch Kontakte zu jüngeren Menschen. Ehrenamtliches Engagement kann ein sehr wirksamer Schutz gegen die Entwicklung einer Altersdepression sein.
Kontakt
Spezialambulanz für Depression im höheren Lebensalter an der Universitätsklinik Köln
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