Kategorie Aktuelle Meldung Gesundheit

Großer Reformbedarf bei Patientensicherheit und im Umgang mit Behandlungsfehlern

Von: Kristin Enge

2013 trat das Patientenrechtegesetz in Kraft, um die Position von Patientinnen und Patienten zu stärken. Es regelt den Umgang mit Behandlungsfehlern. Anlässlich des  Welttags der Patientensicherheit am 17.9. sieht der VdK Reformbedarf.

Verschwommene Aufnahme zweier männlicher Chirurgen während einer Operation, sie tragen blaue OP-Kleidung
© IMAGO / Westend61

Hohe Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern

Silja Greuner kam im Mai 2019 mit Schmerzen, Fieber und Schüttelfrost ins Krankenhaus. Sie war 37 Jahre alt und schwanger. 36 Stunden später waren sie und das ungeborene Kind tot – laut Gutachten gestorben an einer unbehandelten Sepsis. Zurück blieben ihr Mann Joachim Greuner und ihr älterer Sohn Niklas.

Im Jahr 2023 stellte der Medizinische Dienst (MDkurz fürMedizinischer Dienst) in 2.679 von insgesamt 12.438 beauftragten Gutachten fest, dass ein Behandlungsfehler einen Schaden verursacht hat. Fachleute gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Laut Schätzungen soll es in einem Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und vermeidbaren Schäden kommen. Das wären rund 168.000 Fälle pro Jahr.

Ein müde wirkender Mann in OP-Kleidung sitzt mit geschlossenen Augen, er greift sich an den Kopf.
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Fehler bei der ärztlichen Behandlung: Die Dunkelziffer ist hoch

Jedes Jahr kommt es zu tausenden ärztlichen Behandlungsfehlern, teils mit schwerwiegenden Folgen. Die Dunkelziffer ist hoch. Um die Patientensicherheit zu stärken, wird eine andere Fehlerkultur gefordert – und die Einführung eines Never…

Lange und zermürbende Rechtsstreitigkeiten

Trotz des Patientenrechtegesetzes stehen Opfer und ihre Angehörigen vor beträchtlichen Hindernissen: Sie müssen nachweisen, dass ein Behandlungsfehler passiert ist, dass sie einen Schaden erlitten haben und dass der Fehler den Schaden verursacht hat. „Es muss feststehen, dass es so war. Eine Möglichkeit oder überwiegende Wahrscheinlichkeit würde nicht ausreichen“, erklärt Professor Peter Gaidzik von der Universität Witten-Herdecke in einer Externer Link:ARD-Dokumentation. Erst wenn ein grober Fehler belegt ist, kehrt sich die Beweislast um. Dann sind die Behandelnden in der Pflicht nachzuweisen, dass der Fehler den Schaden nicht verursacht hat.

Oft drohen Betroffenen jahrelange und teure Rechtsstreitigkeiten. Wie schwer es ihnen gemacht wird, erlebt Greuner seit sechseinhalb Jahren: „Erst nach anderthalb Jahren habe ich erfahren, was mit meiner Frau passiert ist.“ Er leitete ein Schlichtungsverfahren bei der Landesärztekammer ein, inzwischen führt er einen Prozess. „Es ist extrem zermürbend“, sagt er und berichtet von Gefälligkeitsgutachten und davon, wie das Krankenhaus versucht, einer Haftung zu entgehen. Häufig wollen Kliniken ihren Ruf schützen, und Ärztinnen und Ärzte befürchten hohe Schadensersatzforderungen. Das geht zu Lasten der Betroffenen.

Hand eines Chirurgen nimmt chirurgische Instrumente, die nebeneinander aufgereiht auf einem Tuch liegen
© IMAGO / Westend61

Patientenrechtegesetz muss reformiert werden

In Dänemark werden Behandlungsfehler deutlich einfacher anerkannt. Patientinnen und Patienten erhalten eine Entschädigung, wenn ein Behandlungsfehler mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt, ohne dass ärztliches Verschulden nachgewiesen werden muss. Die Ausgleichszahlungen werden aus einem staatlichen Fonds geleistet.

In Deutschland fordern Patientenschutzorganisationen seit langem eine Reform des Patientenrechtegesetzes. VdK-Präsidentin Verena Bentele bringt es auf den Punkt: „Patientinnen und Patienten sind hier stark benachteiligt. Das Verfahren bis hin zu einem möglichen Prozess ist eine große Belastung für die Betroffenen.“

Das Beweismaß für den Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden sollte gesenkt und das Recht auf Einsicht in die Patientenakte gestärkt werden, fordert  Bentele. Inwieweit die Externer Link:elektronische Patientenakte (ePa) hierbei eine positive Rolle spielen kann, wird sich zeigen. Zudem bedarf es einer anderen Fehlerkultur. Medizinisches Personal sollte verpflichtet werden, Betroffene proaktiv über Behandlungsfehler zu informieren. Schadensersatzansprüche könnten unbürokratisch über einen Entschädigungsfonds abgewickelt werden.

"Never Events" verpflichtend erfassen

Bislang besteht keine bundesweite Meldepflicht für Behandlungsfehler. „Ein zentrales Meldesystem wäre essenziell, um Fehler systematisch zu erfassen, zu analysieren und Präventionsmaßnahmen abzuleiten“, so Bentele. „Auch ein Never-Event-Register ist notwendig“, sagt Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS). „Doch dafür fehlt offenbar der politische Wille.“ Sie wirbt für mehr Aufklärung über „Never Events“.

Das sind besonders schwerwiegende Vorfälle, die niemals passieren dürften und durch Präventionsmaßnahmen grundsätzlich zu verhindern wären – wenn etwa bei einer Operation die Körperseite verwechselt oder medizinisches Material im Körper zurückgelassen wird. Im Jahr 2023 befanden sich 151 solcher „Never Events“ unter den vom MDkurz fürMedizinischer Dienst anerkannten Behandlungsfehlern.

Großbritannien gilt übrigens als Vorreiter: Dort werden alle Behandlungsfehler und alle „Never Events“ verpflichtend und umfassend registriert.

Welttag der Patientensicherheit

Der Welttag der Patientensicherheit, einer der globalen Gesundheitstage der WHO, findet seit 2019 immer am 17. September statt. Im Jahr 2025 steht das Thema Kinderversorgung im Mittelpunkt, der Aktionstag steht unter dem Motto „Patientensicherheit von Kind an – eine Investition fürs Leben”. Mehr Informationen: 

Externer Link:www.tag-der-patientensicherheit.de