„Das Rettungswesen ist schlecht aufgestellt“
Das deutsche Rettungsdienstwesen stößt an seine Grenzen. Die Björn-Steiger-Stiftung sieht die Notfallversorgung durch den Bund nicht mehr sichergestellt und hat Verfassungsklage eingereicht. Auch der VdK erkennt Lücken in der Versorgung.

Stiftung: Deutsches Rettungswesen kostet Menschenleben
Die Björn-Steiger-Stiftung will mit ihrer Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie exemplarisch gegen das Land Baden-Württemberg endlich einheitliche Standards im Rettungswesen erreichen. „Das deutsche Rettungswesen ist schlecht aufgestellt und kostet Menschenleben“
, heißt es in einer Mitteilung der Stiftung.
Darin kritisiert sie, dass der Bund seiner Aufgabe, die Notfallversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, nur unzureichend nachkommt. „Der Bund stellt kein durchgängig funktionierendes, flächendeckendes Rettungsdienstsystem mit bundesweit vergleichbaren Qualitätsstandards zur Verfügung
“, sagt der Geschäftsführer der Stiftung, Christof Constantin Chwojka. Dadurch seien die Überlebenschancen der Bürgerinnen und Bürger ortsabhängig. Schon zwischen zwei benachbarten Dörfern kann sich die Qualität des Rettungsdienstes deutlich unterscheiden. Das liegt daran, dass die Organisation des Rettungdiensts den Ländern obliegt. Die Länder haben diese Aufgabe wiederum an die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen.
Flickenteppich an Regelungen
Unterschiede gibt es beispielsweise bei den geltenden Hilfsfristen für den Rettungseinsatz. Diese bezeichnen die maximale Zeitspanne, innerhalb derer eine Rettungseinheit ab dem Notrufeingang am Einsatzort eintreffen soll, um lebensrettende Maßnahmen zu gewährleisten. Im neuen Rettungsdienstgesetz in Baden-Württemberg aus dem vergangenen Jahr ist die Berechnung der Hilfsfrist verändert worden. Sie startet jetzt ab dem Eingang des Notrufs erst ab der Alarmierung der Einsatzkräfte. Das führt dazu, dass anstatt wie früher zwölf Minuten, heute 14 bis 15 Minuten nach dem Notruf vergehen dürfen, bis die ersten Rettungskräfte am Einsatzort sein müssen. In Nordrhein-Westfalen wiederum gilt in dicht besiedelten Gebieten eine Hilfsfrist von acht Minuten, berechnet ab dem Eingang des Notrufs.
Dieser Flickenteppich an Regelungen setzt sich fort. So sind zum Beispiel die Kompetenzen der Rettungskräfte unterschiedlich festgelegt – in einer Kommune dürfen sie bestimmte medizinische Versorgung leisten, in einer anderen nicht. Auch die Ausstattung der Rettungswagen kann sich unterscheiden. Die Stadtgrenze kann somit im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden.
Nach Auffassung der Stiftung verstoßen diese Unterschiede gegen den Anspruch der gesetzlich Krankenversicherten auf Gleichbehandlung. Darin erkennt sie einen Verstoß gegen die Verfassung. Deshalb richtet sich die Stiftung mit ihrer Klage direkt an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass sich ihre Klage ausschließlich gegen die Organisation des Rettungsdienstes durch den Bund und nicht gegen „die hervorragend ausgebildeten Rettungskräfte“
richtet.
Was sagt der VdK?
Der Sozialverband VdK schließt sich der Kritik der Björn-Steiger-Stiftung an den geografischen Unterschieden in der Notfallversorgung grundsätzlich an. „Es darf nicht vom Wohnort abhängen, wie gut jemand in einem Notfall versorgt wird“
, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Der Bund muss seiner Verpflichtung nachkommen, einen einheitlichen Rettungsdienststandard vorzugeben.“