Bauplanung: Barrierefrei ist nicht gleich barrierefrei
Bei der Umgestaltung öffentlicher Infrastruktur müssen nach Ansicht des Sozialverbands VdK frühzeitig Fachleute für Barrierefreiheit eingebunden werden. Ansonsten können neue Hürden entstehen, wie ein Beispiel zeigt.
Anna Spindelndreier hat ihr Geld immer bei der Sparkasse in ihrem Viertel in Dortmund abgehoben. Doch seitdem der letzte reine Auszahlungsautomat dort durch einen Automaten für Ein- und Auszahlungen ausgetauscht wurde, kann die Kleinwüchsige den Touchscreen nicht mehr bedienen. Der neue Automat hängt höher, und die Auszahlungstaste ist dadurch für die 36-Jährige nicht mehr erreichbar. Dafür ist der Automat nun für Menschen im Rollstuhl bedienbar, die ihn unterfahren können. “Es ist für mich als Kleinwüchsige ein grundsätzliches Problem, dass Barrierefreiheit oft nur auf Menschen im Rollstuhl gemünzt ist”
, sagt Anna Spindelndreier.
Fachleute hinzuziehen und teure Fehler vermeiden
Jonas Fischer, Referent für Barrierefreiheit beim Sozialverband VdK, kennt dieses Problem. “Bei der barrierefreien Umgestaltung ist es wichtig, die Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen mitzudenken. Während für die einen durch einen Umbau eine Barriere verschwindet, entsteht für die anderen dadurch vielleicht eine neue.”
Er hält es deshalb für notwendig, dass in die Planung solcher Baumaßnahmen betroffene Expertinnen und Experten eingebunden werden. “In Behinderten- oder Sozialverbänden setzen sich Fachleute Tag für Tag mit den Fragen der Barrierefreiheit auseinander. Wenn schon bei der Bauplanung auf dieses Wissen zurückgegriffen würde, ließen sich teure Fehlplanungen vermeiden.”
Im konkreten Fall des Geldautomaten in Dortmund hätte beispielsweise eine in die Wand gelassene Stufe, die ausklappbar oder herausziehbar ist, eine Lösung sein können, so Fischer. Kleine Menschen könnten sich auf diese Stufe stellen, um den Touchscreen zu bedienen. “Das gibt es bereits bei einigen Geldautomaten. Die Installation ist günstig, nicht sehr fehleranfällig und gut umsetzbar.”
Lange Übergangsfrist bei Selbstbedienungsterminals
Hoffnung verbindet der VdK mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das im Juni 2025 in Kraft tritt. Dort ist geregelt, dass einige Produkte und Dienstleistungen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei angeboten werden müssen. Für Selbstbedienungsterminals wie bei einem Geldautomaten gilt allerdings eine Übergangsfrist von 15 Jahren bis 2040. “Wäre dieses Gesetz schon in Kraft, hätte der Geldautomat so nicht in Betrieb genommen werden dürfen”
, sagt Fischer. Eine Barrierefreiheit in diesen Bereichen wird umso wichtiger, wenn in Zukunft immer mehr Angebote der Daseinsvorsorge auf solche Selbstbedienungsterminals reduziert werden, weil Filialen eingespart werden. Eine Entwicklung, die der VdK mit großer Sorge beobachtet.
Anna Spindelndreier muss nun bei ihren Einkäufen daran denken, dass sie sich an der Supermarktkasse Bargeld auszahlen lässt. “Das ist umständlich. Ich würde mir wünschen, dass auch die Belange von kleinwüchsigen Menschen bei der Barrierefreiheit besser berücksichtigt werden”
, sagt sie.