Sozialverband VdK - Ortsverband Gundelsheim/Offenau
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„Keiner muss Schmerzen aushalten“

29.05.18
Professor Sven Gottschling vom Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg (Saar) hat sich in seinem Buch „Schmerz los werden“ mit dem Thema Schmerzen auseinandergesetzt. Wir haben ihn interviewt.

Eine Frau sitzt am Schreibtisch und legt mit leidendem Gesicht ihre Finger an ihre Schläfen.

Chronische Schmerzen: Welche Behandlungen können Patienten nutzen?© imago/Westend61

Redaktion:Professor Gottschling, Sie kritisieren, dass es viel zu wenig Schmerztherapeuten in Deutschland gibt. Woran liegt das?

Prof. Gottschling: Schmerzmedizin ist erst seit 2016 ein Lehr- und Pflichtprüfungsfach im Medizinstudium. Bis dahin haben Ärzte nichts über Schmerztherapie gelernt. Zudem gibt es viel zu wenig Ausbildungsstellen und das Gehalt ist unattraktiv. Wenn sich ein Orthopäde weiterbildet und Schmerztherapeut wird, darf er nur noch 300 Patienten im Quartal behandeln, sodass er viel weniger verdient.

Redaktion: Warum gibt es immer mehr Schmerzpatienten?

Prof. Gottschling: Das wundert mich nicht, denn die Schlagzahl unseres Alltags und der Druck durch ständige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit haben extrem zugenommen. Bei Kindern und Jugendlichen macht sich das durch einen massiven Anstieg von Kopfschmerzen vor allem in den vergangenen Jahren bemerkbar. Wenn Kinder durchgetaktet werden wie Erwachsene, sind körperliche Beschwerden als Folge normal.

Redaktion: Wie sieht es mit der Schmerzbehandlung von älteren Menschen aus?

Prof. Gottschling: Wir haben das Problem, dass ältere Menschen häufig viel zu spät und völlig unterdosiert Schmerzmedikamente erhalten. Das trifft vor allem bei Demenz zu, wenn sich Menschen nicht mehr so gut äußern können. Es gibt Studien, wonach Menschen mit Demenz nach Operationen um ein Drittel weniger Schmerzmittel erhalten. Das ist grausam. Menschen in Altenhilfe-Einrichtungen sind ebenfalls schlecht versorgt. Bis zu 80 Prozent haben Schmerzen, bei 25 Prozent sind die Schmerzen unerträglich. Das sind katastrophale Zustände, die nicht sein müssten. Keiner muss Schmerzen aushalten. Ein weiterer Punkt ist, dass nicht-opioidhaltige Medikamente wie Diclofenac für alte Menschen besonders risikoreich sind.

Redaktion: Sind Schmerzen im Alter oder am Lebensende normal?

Prof. Gottschling: Schmerz ist nie normal, sondern ein lebenswichtiges Warnsignal des Körpers. Im Alter häufen sich Schmerzgründe wie degenerative Gelenkerkrankungen, Wundsein durch Inkontinenz oder eine schlecht sitzende Prothese. Auch die Schmerzempfindlichkeit nimmt im Alter zu. Das bedeutet, dass wir eine verantwortungsvolle und gut gesteuerte Schmerztherapie für Ältere brauchen. Kein Mensch muss sich mit Schmerzen im Alter abfinden. Und wir können den Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen, weil es exzellente Therapien gibt, mit denen wir Schmerzen am Lebensende unter Kontrolle bekommen.

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  1. Eine Frau sitzt am Schreibtisch und legt mit leidendem Gesicht ihre Finger an ihre Schläfen. | © imago/Westend61
  2. Eine Physiotherapeutin massiert den Rücken einer Frau. | © VdK .

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