Sozialverband VdK - Ortsverband Gundelsheim/Offenau
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Selbstbestimmt: Teresa hat ihr Leben im Griff

25-jährige Aalenerin mit Downsyndrom lebt und arbeitet selbstständig und tanzt am liebsten bis zum Morgengrauen
Mit 22 Jahren ist Teresa Trittenbach zu Hause ausgezogen, ausgezogen in ein eigenes Leben. Normal? Besonders! Die 25-jährige Aalenerin hat das Downsyndrom. Dass sie eine so selbstbewusste, selbstständige Frau geworden ist, hat sie ihren Eltern zu verdanken. Sie haben ihre älteste Tochter zwar immer gefördert, aber nie verhätschelt.

Vorsichtig gießt Teresa Trittenbach heißes Wasser über einen Kaffeefilter. Sie liebt Kaffee. "Den brauch´ ich einfach." Deshalb hat sie eine Dose in ihrem Zimmer gebunkert, falls der WG-Kaffee mal ausgeht. Grundsätzlich gilt in der Küche der Wohngemeinschaft: Alles ist für alle da. Alle, das sind vier junge Frauen mit geistiger Behinderung. Sie leben in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft im Haus der Lebenshilfe in Aalen. Hier schauen Betreuer regelmäßig vorbei, lassen die Bewohner ihren Alltag aber weitestgehend selbst organisieren. "Wir brauchen niemanden", sagt Teresa und schüttelt energisch den Kopf.

Aufstehen, anziehen, ein bisschen schminken, frühstücken, zur Arbeit gehen: für Menschen mit Downsyndrom machbar, aber nicht selbstverständlich. "Ich bin so stolz auf dich, Butzi. Du hast dein Leben voll im Griff", sagt Karin Trittenbach, Teresas Mutter, und nimmt einen Schluck frisch gebrühten Kaffee. Dass sie ihre Tochter einmal in einer eigenen Wohnung besucht, um ein "bissle zu schwätzen", hätte sich die Jugend- und Heimerzieherin nach Teresas Geburt nicht träumen lassen. "Ich dachte, mein Leben ist zu Ende", erinnert sie sich. "Totaler Quatsch", weiß sie heute. Aber da waren eben Ängste, Ungewissheiten. Fragen wie "Was kommt auf uns zu?" und ?"st unsere Tochter für immer abhängig von uns?" standen plötzlich im Raum. Karin und Bernd Trittenbach gingen das Thema Kind mit Behinderung offensiv an. "Wir haben zusammengehalten, uns gut informiert, uns mit anderen betroffenen Eltern zusammengetan."

Ein Herz und eine Seele

Auch die Unterstützung ihrer Freunde, Familie und Eltern war den Eheleuten gewiss. Liebe auf den ersten Blick sei es etwa zwischen ihren Eltern und der kleinen Teresa gewesen, sagt Karin Trittenbach. An der besonderen Bindung zwischen den dreien hat sich nichts geändert. Wenn Teresa von Oma und Opa spricht, strahlt sie übers ganze Gesicht. "Die freuen sich immer so, wenn ich komme." Nicht nur, weil sie ihre Enkelin sehr mögen, sondern auch, weil sie es nun ist, die den beiden im Haushalt hilft und kleinere Arbeiten erledigt. Wäsche waschen, zusammenlegen, Bad putzen, kochen, einkaufen gehen: All das hat sie von ihrer Mutter und in der Schule gelernt. Hier wurde sie fit gemacht für ein selbstbestimmtes Leben.

"Dass Teresa einmal auf eigenen Beinen stehen soll, war früh klar. Für uns Eltern und für sie selbst", sagt ihre Mutter. Als Teresas jüngere Schwester Sophia nach dem Abitur auszog, wurde zeitgleich in der Wohngemeinschaft der Lebenshilfe in Aalen ein Zimmer frei. "Das war unsere Chance." Aber: Im ersten Jahr sei es schon anstrengend gewesen für Teresa. Die nickt, als sie sich daran erinnert.

Arbeiten gehen, den Alltag meistern, mit den anderen drei WG-Mädels auskommen. "Das war schon schwer. Jetzt sind wir aber richtig gute Freundinnen", sagt die junge Frau. Freundinnen, die am Wochenende die ganze Nacht DVD schauen, im Städtle einen Kaffee trinken gehen, zusammen kochen und feiern.

Letzteres macht Teresa besonders viel Spaß. Deshalb verbringt sie das Wochenende meist nur dann zu Hause bei ihren Eltern, wenn ihre beiden jüngeren Schwestern auch da sind. Dann stürzen sie sich ins Nachtleben und tanzen bis zum Morgengrauen. Tanzen, Musik hören, Flöte spielen, malen, reisen, das macht die 25-Jährige leidenschaftlich gern. Hauptsache, es ist was los. Sorgen um Teresa macht sich Karin Trittenbach keine. "Obwohl es manchmal schon abenteuerlich ist." Etwa, als die WG-Freundinnen alleine mit dem Zug zu einem Weihnachtsmarkt nach Dinkelsbühl gefahren sind.

Geht nicht, gibt´s nicht

Doch die 54-Jährige ist sich sicher, dass man Kinder auch mal machen lassen muss. "Wenn es aus dem Ruder läuft, schauen wir eben, wie wir?s wieder hinkriegen." Geht nicht, das gibt?s bei den Trittenbachs nicht. Zum Beispiel, dass die Mutter nach 14 Jahren Erziehungspause wieder anfing zu arbeiten und die Schwestern im Alltag teilweise auf sich allein gestellt waren. "Das war für ihre Selbstständigkeit gut und wichtig." Ob Handicap oder nicht, da mussten alle mit anpacken.

Anpacken kann Teresa. Deshalb ist sie eine gefragte Mitarbeiterin im SDZ-Kasino, einer großen Kantine in Aalen. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand. "Ich bin Spezialistin im Eindecken", sagt die 25-Jährige. "Aber mir macht alles Spaß." Hauptküche, Spülküche, Speisesaal, Service: alles kein Problem für Teresa. Für die Arbeit steht sie morgens sogar gerne auf. "Da könnten wir uns manchmal eine Scheibe abschneiden", sagt ihre Mutter und lacht.

Sowieso ist sie immer wieder überrascht, mit wie viel Elan ihre Älteste den Alltag meistert und die Menschen um sich herum mit ihrer Lebensfreude ansteckt. "Es ist so wertvoll für Eltern, wenn Kinder selbstständig leben und arbeiten", sagt sie. "Meine drei Mädels sind, so wie sie sind, ein absoluter Glücksfall."


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