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Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat Arbeitnehmer mit Wirbelsäulenleiden im Streit mit ihrer Berufsgenossenschaft gestärkt. In drei Urteilen entschied es am Donnerstag, 23. April 2015, Streitfragen zugunsten der kranken Arbeitnehmer.
Sie wiesen damit Versuche der Berufsgenossenschaften ab, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit unter Hinweis auf wissenschaftlichen Streit wieder zu verschärfen (Az.: B 2 U 20/14 R, B 2 U 6/13 R und B 2 U 10/14 R).
Die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit kann für die betroffenen Arbeitnehmer zu Rentenansprüchen aus der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Auch eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist inzwischen als Berufskrankheit anerkannt, wenn Arbeitneh-mer über Jahre schwere Lasten tragen oder in gebückter Haltung arbeiten mussten, oder wenn die Wirbelsäule durch Maschinen schädlichen Schwingungen ausgesetzt wurde. Weil Wirbelsäulenbeschwerden aber auch unabhängig von den Belastungen bei der Arbeit eine Volkskrankheit sind, ist die Abgrenzung schwierig und immer wieder umstritten. Berechnet wird die berufliche Belastung der Wirbelsäule nach dem „Mainz-Dortmunder Dosismodell“ (MDD). Es prüft, ob bei einer konkreten Belastung die Wahrscheinlichkeit einer Wirbelsäulenerkrankung höher ist, als bei der übrigen Bevölkerung.
2005 veröffentlichte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe sogenannte Konsensempfehlungen, in welchen Fällen welche Wirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit anerkannt werden sollen. Maßgeblich sind danach die Stärke, die Dauer und auch das Zusammenspiel verschiedener Belastungen. In einem Grundsatzurteil hatte das BSG 2007 festgestellt, dass das MDD nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entspricht, weil es geringe Belastungen nicht einbezieht. Weil es aber kein anderes Rechenmodell gibt, kann nach diesem Urteil das MDD weiter herangezogen werden – allerdings mit nunmehr halbierten Schwellenwerten (Urteil vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 R).
In seinen neuen Urteilen hält das BSG an diesen gegenüber früher deutlich herabgesetzten Maßstäben fest. Danach sind auch die „Konsensempfehlungen“ weiterhin eine „hinreichende Orientierungsgrundlage“, um über die Berufskrankheit zu entscheiden. Den Verweis der Berufsgenossenschaften auf einzelne wissenschaftliche Gegenstimmen ließen die Kasseler Richter nicht gelten.
Im Fall eines Gartenbauers betonten die Kasseler Richter, dass die Empfehlungen aber kein abschließender Katalog sind. Konnten sich 2005 die Wissenschaftler bei bestimmten Belastungsarten und -kombinationen nicht einigen, sollen die Gerichte in heutigen Streitfällen da-her prüfen, ob es hierzu neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die auf eine berufsbedingte Erkrankung verweisen. Im Fall eines Maschinenschlossers wies das BSG das Bestreben der Berufsgenossenschaft ab, die Berücksichtigung einer gebückten Haltung auf Extremfälle zu begrenzen. Danach kann auch eine Rumpfbeuge von weniger als 90 Grad eingerechnet werden. Zudem muss die gebeugte Haltung nicht eine feste „Zwangshaltung“ sein.
Schlagworte Berufskrankheit
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